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Mittwoch, 21. September 2016

10 große Kritikpunkte an der Bibel, die in verschollenen Evangelien aufgeklärt werden

Es gibt ja viele allseits bekannte Kritikpunkte an der Bibel. Warum ist Yahweh so eifersüchtig? Warum ist er überhaupt ein "Mann"? Und dann erst die unrealistische Geschichte der Arche Noah, und die noch unrealistischere "jungfräuliche" Geburt Jesu. Und warum fehlt im Christentum die Reinkarnation? Tatsächlich werden diese und noch mehr Punkte allesamt in den frühchristlichen Schriften aufgeklärt, wie ich hier zeigen werde!

Wie das möglich ist? Nun, ich spreche hier von jenen Schriften, die damals, als man die Bibel zusammenstellte, unter den Tisch fielen. Diese Auswahl, die erst Jahrhunderte nach Jesu Tod stattfand, wurde auf haarsträubende weise begründet: "So wie es 4 Winde und 4 Himmelsrichtungen gibt, so muss es 4 Evangelien geben", so der Bischof Irenäus. Forscher wissen heute, dass es viel mehr Evangelien  gab, die die Amtskirche so weit wie möglich verbrennen liess, samt den Ketzern, die sie lasen. Allen Widerständen zum Trotz sind vor nicht langer Zeit in einem kleinen Ort in Ägypten doch wieder Exemplare aufgetaucht - die Schriften von Nag Hammadi!

Also Punkt für Punkt:

1. Ist Gott männlich?

Natürlich nicht. Die kirchlichen Machthaber haben die patriarchale Gesellschaft aber leider auf die Religion übertragen. Was sagen die frühchristlichen Schriften dazu, die man verschwinden liess? Statt dem "männlichen" Schöpfergott ist hier vom "Mutter-Vater" die Rede, und auch von einem "Mutterschoß des Alls, denn sie ist die, die vor allen ist". Z.B:
"Der Mutter-Vater, der reich an Erbarmen ist, der Heilige Geist in jeder Gestalt"
Und der Herausgeber fasst in einem Kommentar zusammen:
Der mannweibliche, unbekannte, unnennbare und unfassbare Gott, der Vorvater, ist vor allem. Aus ihm geht alles Entstandene wie aus einer Quelle hervor."
Es ist zwar oft vom "Vater" die Rede, es ist aber ein Ausdruck für die transzendente Einheit, aus der sowohl das weibliche wie männliche Prinzip erst hervorgehen. Der Ausdruck "mannweiblich" wird in den Nag Hammadhi-Schriften auffallend oft verwendet, und auf alle möglichen Gottheiten und Engel aller Schöpfungsebenen angewendet, hinunter bis zur gewöhnlichen Seele, die ebenso als "mannweiblich von Gestalt" beschrieben wird.

Es wird dadurch deutlich, dass unser herkömmliches Verständnis von "männlich" und "weiblich" lediglich auf unsere Menschenwelt anwendbar ist. Nichtsdestotrotz liessen es sich die Machthaber nicht nehmen, die Religion für ihr patriarchales Weltbild zu missbrauchen.

2. Warum ist Yahweh so ein neidischer und eifersüchtiger Gott?

Die Antwort ist laut dem Apokryphon des Johannes eindeutig: weil dieser "Gott" nicht wirklich Gott ist. Die Wesenheit wird hingegen als nicht mehr als das Resultat einer "mangelhaften Hervorbringung" aus höheren Ebenen bezeichnet, d.h. als ein unvollkommener, niedriger "Archon", der zwar mächtig ist, aber schon selbst den Ursprung seiner Existenz nicht erkennt, und sich aus Unwissenheit als Gott bezeichnete, was in den Schriften scharf verurteilt wird (bitte beachten, dass die Klammern in all den Zitaten nicht von mir, sondern vom Herausgeber sind):
Apokryphon des Johannes
Apokryphon des
Johannes 
Und er ist frevelhaft in seiner Unwissenheit, die in ihm ist. Denn er sagte: "Ich bin Gott, und es gibt keinen anderen Gott neben mir. Er war nämlich unwissend über seine Stärke, den Ort, von dem er gekommen ist. ... Wegen der Kraft der Herrlichkeit besaß er das Licht seiner Mutter; deswegen nannte er sich selbst "Gott". Er war aber nicht gehorsam gegenüber dem Ort, von dem er gekommen ist.

Und als er die Schöpfung, die ihn umgibt, sah und die Menge der Engel, die ihn umgeben (und) die aus ihm entstanden waren, sagte er zu ihnen: "Ich bin ein neidischer Gott, und es gibt keinen Gott neben mir." Aber (gerade) weil  er dieses verkündet, zeigte er den Engeln, daß ein anderer Gott existiert. Denn wenn dort kein anderer wäre, auf wen sollte er (dann) eifersüchtig sein?
Es wird deutlich gemacht, dass die Propheten des alten Testaments nicht DEN allumfassenden Gott "an der Leitung" hatten. Wie alt ist das zitierte Apokryphon des Johannes? Belegt ist, dass es Bischof Irenäus im 2. Jahrhundert auf die Palme brachte, weil ihm offenbar nicht schmeckte was er las...

3. Baute Noah tatsächlich eine gewaltige Arche?

Laut dem Apokryphon des Johannes nein. Explizit wird auch hier das alte Testament "korrigiert":
Es ist nicht, wie Moses gesagt hat: "Sie verbargen sich in einer Arche" , sondern sie verbargen sich an einem Ort, nicht nur Noah, sondern ebenso viele andere Menschen von dem nichtwankenden Geschlecht.
Nag Hammadi
Die frühchristlichen Schriften
gefunden in Nag Hammadi
Wohlgemerkt, wieder ist nicht etwa "Gott" der Verursacher der Flut, sondern der schon genannte niedere "Demiurg". Das "göttliche Licht" ist es hingegen, das Noah warnt, wobei davon die Rede ist, dass sich die Menschen in einer "Lichtwolke" verbargen. Das scheint zwar auch nicht glaubhafter als ein überdimensionales Boot, es wird aber deutlich, dass die Methode der Flucht nicht entscheidend ist. Entscheidend ist der Zugang zu höherer Inspiration, das metaphorische Licht, das zum Überleben führt.

Mich erinnert das ja an Erzählungen, in denen jemand in letzter Sekunde die Eingebung hat, den Flug zu stornieren, bevor das Flugzeug dann abstürzt. Der Flutmythos hat natürlich eine viel größere Dimension, denn er scheint allgegenwärtig zu sein: er ist auch im Hinduismus, in der skandinavischen Mythologie und etwa bei den Indianern Nordamerikas zu finden (dazu aber vielleicht in einem anderen Artikel mehr...)

4. Wurde die Frau aus der Rippe des Mannes erschaffen?

Nein, auch hier verhält es sich anders. Eva wird zwar aus Adam erschaffen, aber mit diesem "Adam" ist nicht etwa ein Mann, sondern explizit der noch geschlechtslose (oder 2-geschlechtliche) Seinszustand gemeint. Der Mythos beschreibt also nicht das Entstehen des Weiblichen aus dem Männlichen, sondern vielmehr das Entstehen beider Geschlechter aus einem nicht-dualen Zustand.

Aber beginnen wir von vorn: Nach geläufiger Überlieferung heisst es ja, dass Gott Adam in einen Schlaf versetzte, als er aus ihm Eva erschuf (man denkt fast an eine Narkose). Jesus erläutert das dahingehend, dass hier natürlich kein buchstäblicher Schlaf, sondern der "spirituelle Schlaf" der Menschheit gemeint ist, womit schon hier der Fall von Eden eingeläutet wird:
Und ich sagte zu dem Erlöser: ,,Was ist das Vergessen?‘‘ Und er sagte: ,,Es ist nicht, wie Moses schrieb und du gehört hast. Denn er sagte in seinem ersten Buch: ,Er brachte ihn in den Schlaf.‘ Vielmehr (war es nur) in seinen Wahrnehmungen, (daß er schlief). Denn er sagte durch den Propheten: ,Ich werde ihre Herzen schwer machen, damit sie nicht aufmerksam sind und nicht sehen.‘ Darauf versteckte sich die Epinoia des Lichtes in Adam.
Diese "Verringerung des Lichtes" (Bewusstseins), die "Blindheit" und der "Schlaf", dem wir nach wie vor unterliegen, sind alles bekannte Metaphern für den Menschen, der die göttliche Verbindung verloren hat, was z.B. in der Heilung des Blinden und Aussprüchen wie "Erwachet!" wieder aufgegriffen wird.

Wie ist es jetzt mit der Rippe? Weiter im Text:
Und er brachte einen Teil, den er von der Kraft des Menschen genommen hatte, in das Gebilde der Weiblichkeit, und nicht, wie Mose gesagt hat, "seine Rippe"
Das Wort Rippe ersetzt "Jesus" hier also mit dem allgemein gehaltenen Begriff "Kraft", welche jetzt in feminine sowie maskuline Eigenschaften geteilt wird, womit jedes Wesen nur mit "halber spiritueller Kraft" ausgestattet ist. Weiter im Zitat:
Und Adam sah die Frau neben sich. Und in diesem Augenblick trat nun die Licht-Epinoia in Erscheinung, und sie deckte den Schleier, der über seinem Verstand lag, auf.
Hier wird die beschriebene äußere Spaltung direkt mit einer inneren Spaltung in Zusammenhang gebracht, denn um diese geht es ja im darauf folgenden Mythos vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse, in dem der duale Verstand des Menschen erwacht, der lediglich anhand von Gegensatzpaaren arbeitet.

Diese beiden Mythen über die körperliche sowie geistige Spaltung ergänzen sich. Die enge Verbundenheit zeigt sich etwa daran, dass es bekannterweise heißt, dass das Essen vom Baum der Beginn der Sterblichkeit ist. Das selbe liest man im "Rippen-Mythos". Diesmal aus dem Philippus-Evangelium:
Als Eva noch in Adam war, gab es keinen Tod. Als sie von ihm getrennt wurde, entstand der Tod. Wenn sie wiederum [hineingeht], wird kein Tod mehr sein.
"Dualität aus der Einheit" ist das zentrale Thema, es geht aber nicht um eine Vorrangstellung eines Geschlechts.

5. Warum sollte Gott den Menschen aus dem Paradies vertreiben?

Nachdem Yahweh also ohnehin schon so ein schlechtes Image hat, jetzt also auch noch die "Vertreibung"! Warum ist der Mensch so weit "entfernt" von Gott und so "unvollkommen"?

Auch hier liefern die Schriften eine höhere, anspruchsvollere Sichtweise abseits von "Sünde" und dem "Groll Gottes". So heisst es über den "Unbegreifbaren, Undenkbaren":
Obwohl er seine Vollkommenheit in sich zurückgehalten hatte, ist der Vater nicht neidisch. Denn wenn das Hervorgegangene seine [Vollkommenheit empfangen] hätte, hätten sie es nicht vermocht zu kommen [...] zum Vater. Er hält in sich selbst ihre Vollkommenheit zurück, indem er sie ihnen gibt als eine Rückkehr(-Möglichkeit) zu ihm. Wie jemand, über den einige unwissend sind, wollte er, daß sie ihn erkennen und ihn lieben - so wurde er ein Wegweiser, ruhig und ausdauernd.
Erst wenn wir uns entfernen, können wir auch wieder zurückkehren. Das klingt zwar wie eine Binsenweisheit, dieses Spiel aus Vergessen und Wiedererkennen, Verlassen und Rückkehr in die Einheit ist aber in allen Religionen zentrales Element des Schöpfungszyklus. Im Hinduismus ist es schön als Aus- und Einatembewegung Gottes beschrieben, und auch als Bienen, die den Bienenstock verlassen um schliesslich zurückzukehren. Im Christentum hingegen wurde gerade die erste Hälfte des Zyklus leider extrem negativ gewertet: sie beginnt mit dem Mythos vom Fall des Erzengels Luzifer und zieht sich weiter bis zum Fall des Menschen, bis Jesus wieder die Rückkehr einläutet.

Auf jeden Fall wird ein System beschrieben, das zwischen Einheit und Vielheit pendelt. Womit wir bei der nächsten großen Frage sind:

6. Warum gibt es im Christentum keinen sich immer wiederholenden Schöpfungszyklus?

Aus östlichen Religionen wie dem Hinduismus ist bekannt, dass sich dieser beschriebene Zyklus aus Hervorgehen und Zurückkehren unzählige Male wiederholt, immer und immer wieder. Im Christentum hört man davon aber nichts, so als gäbe es nur einen einzigen Durchgang.... und dann?? Ist dann alles für Ewig auf Eis gelegt? Auch hier ergibt das "herkömmliche" Christentum wenig Sinn.

Aber auch dazu gibt Jesus in den verlorenen Schriften eine seiner bekannten Analogien, die in dem Fall viel näher an den östlichen Lehren ist - diesmal aus dem Brief des Jakobus. Hier vergleicht er die Schöpfung mit einem Feld, das im Jahreszyklus immer wieder Frucht (Leben) hervorbringt. Das legt nahe, dass auch die Schöpfung - na was wohl - ein sich wiederholender Zyklus ist:
Denn das Himmelreich gleicht einer Ähre, die auf einem Felde wuchs. Und als sie reif war, streute sie ihre Frucht aus und füllte wiederum das Feld mit Ähren für ein weiteres Jahr
Das führt uns direkt zu einem andern, kleineren Zyklus, dem Inkarnationszyklus. Gab es im Christentum die Reinkarnationslehre? Wo ist sie hinverschwunden?

7. Gibt es im Christentum keine Reinkarnationslehre?

Wie Wikipedia schreibt, spricht Jesus in einem Dialog mit Johannes sehrwohl über die "Bedingungen und Verhältnisse der Reinkarnationsfolge". Im Originaltext fragt Johannes:
"Herr, die Seelen derer, wenn sie herausgekommen sind aus ihrem Fleisch, wohin werden sie gehen?"
Zuerst behandelt Jesus, was geschieht, wenn jemand noch nicht aus der "Vergessenheit erwacht" ist:
Und er sagte zu mir: ,,In jenen ist der verachtete Geist stark geworden, und er beschwert die Seele und zieht sie zu den Werken der Schlechtigkeit und wirft sie hinab in ein Vergessen.

Und nachdem sie (aus dem Körper) herausgekommen war, wurde sie den Mächten übergeben, die durch den Archon entstanden sind; und sie binden sie mit Fesseln und werfen sie ins Gefängnis und begleiten sie, bis sie aus dem Vergessen erwacht und die Erkenntnis empfängt. Und wenn sie auf diese Art vollkommen wird, ist sie gerettet.
Mit "Gefängnis" ist (wie bei den Gnostikern üblich) das körperliche Leben gemeint, an das man gebunden ist bis man ausreichend aus dem "Schlaf" erwacht ist. Die Ähnlichkeit mit dem "Ausbrechen aus dem Rad der Wiedergeburt" in den östlichen Religionen wird hier mehr als deutlich.

Und über eine solche Seele die diese Reife erreicht hat heisst es: 
Diese ist gerettet durch ihn. Sie ist nicht wieder in anderes Fleisch geworfen.
Für andere Seelen gilt das offenbar schon.

Was soll man davon halten? Für das heutige Christentum ist es typisch, dass es sich lediglich auf einen Durchgang des Zyklus beschränkt: nur EIN Leben, und nur EINE Rückkehr zur Einheit. Erst dadurch kann es eine "ewige Hölle" geben, und weil man nur eine Chance hat alles richtig zu machen, kann man die Menschen besonders gut kontrollieren. Im Hinduismus ist es genau anders: weil die Menschen "alle Zeit der Welt" haben, nehmen sie ihr Leben fast schon zu locker (Osho etwa kritisierte die Lethargie der indischen Kultur).
Und weil es im Christentum nur um einen Schöpfungsvorgang geht, erscheint der Schöpfergott umso wichtiger und mächtiger. Wollte die Kirche das Gewicht der Religion so künstlich in die Höhe treiben?

Man kann trotzdem nicht sagen, dass das eine richtig und das andere falsch wäre. Hier eine Analogie: es ist so als würden die Physiker feststellen, dass sich der Urknall unzählige Male wiederholt, sodass es viele Universen gibt (solche Theorien gibt es ja längst), und als würde dann ein Physiker trotzdem ein Buch schreiben in dem er diese Tatsache vernachlässigt, weil er es wichtiger findet, sich auf unser Universum zu konzentriert. Das ist nicht falsch, sondern einfach eine Frage des Fokus. Auch Religionen legen ihren Fokus in mancher Hinsicht unterschiedlich.

Wenn jetzt jemand fragt, warum es im Christentum keine Reinkarnation gibt, dann ist das sehr zynisch, wenn man bedenkt dass die entsprechenden Überlieferungen und jene Christen, die daran glaubten, massenhaft von der Inquisition verbrannt wurden, wie etwa die Katharer.

8. Gab es die jungfräuliche Geburt?

Es ist ja heute bekannt, dass vermutlich eigentlich von einer "jungen Frau" die Rede war, und nicht von einer Jungfrau. Und schon im "Philippusevangelium" (zu sehen im Bild) wird die Bedeutung der "unbefleckten Empfängnis" ganz anders erläutert:
Philippusevangeliums Einige sagten: "Maria ist vom heiligen Geist schwanger geworden." Sie sind im Irrtum. Sie wissen nicht, was sie sagen. Maria ist die Jungfrau, die keine Macht befleckte. ...

Und der Herr [hätte] nicht gesagt: "Mein [Vater, der im] Himmel ist", wenn [er] nicht noch einen anderen Vater gehabt hätte, sondern er hätte einfach gesagt: "[Mein Vater]!"
Nichts anderes drückt eigentlich auch dieses Zitat des späteren Papstes Joseph Ratzinger von 1964 aus: „Die Gottessohnschaft Jesu beruht nach kirchlichem Glauben nicht darauf, daß Jesus keinen menschlichen Vater hatte; die Lehre vom Gottsein Jesu würde nicht angetastet, wenn Jesus aus einer normalen menschlichen Ehe hervorgegangen wäre. Denn die Gottessohnschaft ist kein biologisches, sondern ein ontologisches Faktum."

Missverständnisse sind ja vorprogrammiert: einerseits haben wir die biologische Herkunft des Körpers, und andererseits die Herkunft der Seele aus höheren Realitätsebenen. In beiden Fällen ist vom "Vater" die Rede, im einen Fall natürlich metaphorisch. Es ist auch wohlbekannt, dass unter frühen Christen als "wahre Hochzeit" die Verbindung des menschlichen Bewusstseins mit dem höheren Bewusstsein gesehen wurde, was als "unbefleckte Hochzeit" umschrieben ist. Trotzdem wurde noch 1987 einer Theologin in einem Aufsehen erregenden Fall die Lehrerlaubnis entzogen, weil sie die Jungfrauengeburt ablehnte...

Wie auch immer, wenn jemand heute dieses Dogma kritisiert, braucht er nicht zu glauben das wäre eine großartige Leistung oder eine originelle Idee, denn er ist ja 1.800 Jahre zu spät. So alt ist etwa die gefundene Version des Philippusevangeliums.

9. Waren Frauen für Jesus untergeordnet?

Und eine zweite Frage: War Jesus ein asexueller Asket? Das ist natürlich ein beliebtes, oft diskutiertes Thema. Denn aus dem Philippusevangelium erfährt man Spannendes:
Und die Gefährtin von [Christus] ist Maria Magdalena. Der [Herr liebte] sie mehr als [alle] (anderen) Jünger, und er küsste sie [oftmals] auf ihren [Mund]. Die übrigen [Jünger  ...], sie sagten zu ihm: ,,Weshalb liebst du sie mehr als uns alle?‘‘ Es antwortete der Erlöser: "Weshalb liebe ich euch nicht (so) wie sie?"
Eine ziemlich abgebrühte Antwort! Diese Schriften sind dafür berühmt, dass Maria Magdalena als Lieblingsjüngerin dargestellt ist. Das wollten manche Machthaber wohl nicht haben. Denn wer weiss, was das für die Stellung der Frauen in der Kirche bedeutet hätte... Gratulation, jetzt ist die Kirche ein sonderbarer Männerklub... 

10. Wenn Jesus für die Menschen starb, warum wird Judas verurteilt?

Das ist eines der wichtigsten Themen: die vermeintliche Täterrolle von Judas. Denn dabei gibt es offensichtliche Unstimmigkeiten, die man an 2 hypothetischen Szenarien verdeutlichen kann:

Einerseits könnte man es so sehen, dass Jesus in einem göttlichen Plan für die Erlösung der Menschen starb, dass "Gott die Menschen so sehr liebte, dass er seinen einzigen Sohn gab", wie es heißt. Dabei muss man anerkennen, dass das nur möglich ist, wenn auch jemand die unangenehme Täterrolle übernimmt.

Andererseits könnte man es so sehen, dass Jesus gerne weiter gewirkt hätte, dass in seinem Leben also etwas schief lief, dass sein vorzeitiger Tod gegen den "Willen Gottes" geschah, und man könnte Judas somit aufs Schärfste verurteilen.

Wie man schnell merkt, sieht die Realität aber so aus, dass beides vermischt wird. Einerseits sieht man die Kreuzigung als DAS zentrale Element der Religion, wobei die "Passion Christi" mit geradezu perverser Faszination verherrlicht wird, gleichzeitig will man nicht auf ein primitives Opfer-/Täterdenken verzichten, wobei man wie in einem Hollywoodfilm einen Bösewicht braucht, der sämtlichen Hass abbekommt, mit sehr realen, lange nachwirkenden Folgen (Judenverfolgung bis hin zu Holocaust).

Judasevangelium
Judasevangelium
Nichts von diesen Problemen hätte gemäß den verschollenen Schriften je existiert. Im 1976 wiedergefundenen Judasevangelium wird in einem vertraulichen Dialog zwischen Jesus und Judas nicht nur vermittelt, dass Judas von allen Aposteln Jesus am besten verstand (er sei "im Geist am stärksten"), sondern dass er den Verrat in seinem Sinne ausführte ("du wirst sie alle übertreffen; denn du wirst den Mann opfern, der mich kleidet."), und Jesus schickt gleich voraus, dass Judas dafür "großes Leid erfahren würde". Dieser Dialog ist keine Anklage gegen Judas, sondern spricht von seiner "höheren Bestimmung".

Noch viel gäbe es zu dem schwierigen Thema zu sagen, etwa, dass die Idee, man könnte durch einen brutalen Tod die Sünden anderer Menschen bereinigen, ohnehin wenig Sinn ergibt.

Hier ein Bericht zum Fund des Judasevangeliums (National Geographic): Seite 1Seite 2

Fazit - warum wollte man diese Schriften vernichten?

Es steht zwar sicher auch in den Nag Hammadi-Schriften viel Unsinniges. Aber es ist trotzdem verblüffend, mit welcher  Regelmäßigkeit sie gereade bei den größten Unstimmigkeiten die tiefergehenden und schlüssigeren Inhalte liefern. Warum konnten sie sich trotzdem nicht durchsetzen?

Einerseits ist es natürlich so, dass sich das Einfachere und Sensationalistischere immer gegen das Anspruchsvollere durchsetzt. Das tiefere Wissen lag schon immer bei den Mystikern, die verstanden, dass sich Wahrheit nicht organisieren lässt. Und weil Gruppierungen wie die Gnostiker nicht an Organisation und Macht interessiert waren, waren sie dem Untergang geweiht. Wir wissen ja: Geschichte wird von den Siegern geschrieben. Was aber viele nicht beachten: das selbe gilt für die Bibel. In den ersten Jahrhunderten entstanden verschiedene christliche Strömungen, aber es setzten sich jene durch, die am wenigsten Skrupel hatten, andersdenkende "Ketzer" zu verfolgen. Das waren aber nicht unbedingt die Weiseren und Klügeren - die geben bekanntlich nach.

Es sind interessante Sticheleien von damals überliefert. Die Gnostiker warfen den Bischöfen der Amtskirche vor, sie seien wie "wasserlose Kanäle", womit sie natürlich meinten, sie hätten keinerlei spirituelle Verbindung, keine spirituelle Ader. Man kann das heute noch gut nachvollziehen. Es sind Politiker, Verwalter von Theorie. Die Gnostiker hingegen waren überzeugt, dass keine Mittelsmänner in Roben nötig sind, um das Mysterium des Seins zu ergründen. Hätte die Kirche mehr von ihren Ansichten integriert, anstatt sich an eine lächerliche "maximal 4 Evangelien"-Regel zu halten, würde das Christentum heute ganz anders aussehen.