Selbstbewusstsein steht bei uns hoch im Kurs. Es bedeutet: eine klare Vorstellung von sich selbst haben, von sich selbst überzeugt sein, etc. Das ist schön und gut, wenn es ein Selbstbewusstsein ist das aus der Seele kommt. Ein Meister versteht aber auch, dass SB etwas hinderliches ist, nämlich dann wenn es ein Produkt des Verstandes ist. In der englischen Sprache wird das deutlich: selbstbewusst (self-conscious) heisst auch: befangen, gehemmt, unfrei, verlegen (Q).Wir können sagen, es gibt ein ganzheitliches SB, und ein dualistisches SB.
Ein Selbstbewusstsein, das der Verstand erzeugt, ist eine Spaltung in uns selbst
Und zwar in einen Teil, der den restlichen Teil hinterfragt, beurteilt, benennt, analysiert - und letztlich verurteilt und kontrolliert. Der Verstand spielt Richter, und richtet über sich selbst. Durch diese Spaltung sind wir zweigeteilt, sprich in Zweifel. Das Ergebnis ist unweigerlich Konflikt, Qual, Probleme, Unsicherheit, Ängste,... Es leuchtet ein, dass ein Meister nicht in diesem Zustand lebt.Wir sind unzufrieden! Mit uns, mit unserem Körper, mit unseren unangenehmen Emotionen wie Schuld, Scham, Angst, Wut, Aggression, mit unseren negativen Gedanken, mit unserem Handeln das nicht gut genug ist. Als Folge identifizieren wir uns mit der Position eines Richters, der zusammengesetzt ist aus Idealvorstellungen, Ideen von Perfektion und dem "Guten", Glaubensmustern, Konzepten, Traditionen, Konventionen, dem was in der Gesellschaft anerkannt ist, was angeblich "richtig" ist etc. Da das alles nur Gedanken sind, ist auch unser Ich Illusion.
Wenn wir beurteilen (egal ob uns oder andere), fliesst der Lebensstrom an uns vorbei.
Eine Biene fliegt fröhlich los von Blume zu Blume, aber sie hinterfragt nicht wieso und warum. Sie urteilt nicht, genauso wie ein Meister.
Bewusstsein heisst: Wahrnehmung ohne Beurteilung. |
Ego heisst: leben auf Basis von Urteilen und eines gedanklichen Selbstbildes |
eigenes Konzept anhand bearbeiteter Designs v. Sabine Wolf (Q)
Wenn wir uns ablehnen, distanzieren wir uns von uns selbst (ziemlich schizophren eigentlich). Wir sind dann nicht mehr Eins, befinden uns nicht in unserer Mitte, "stehen neben uns", sind so gesehen "ver-rückt", reagieren verlegen ("an einer unrichtigen Stelle, vom bisher innegehabten Platz anderswohin verlegt")... Wie könnten wir in unserer Mitte sein, wenn es zwei von uns gibt? Durch diese Zweiteilung werden wir mehr und mehr verzweifelte Menschen. In dem Sinne sind wir keine wahren Individuen, denn ein "In-dividuum" ist nicht gespalten.
Richtet nicht
- Mat 7.1
Diese Kontrolle des Verstandes aufzugeben ist vermutlich eine der größten
Herausforderungen in unserem Leben. Er ist dazu nicht
freiwillig bereit, und es verursacht auch Angst vor dem Unbekannten. Wir haben also Angst vor unserer eigenen Größe. Die Auflösung der Milliarden von Gedanken in unserem Kopf ist Erleuchtung. Es geht dabei nicht nur um Aussagen wie "du widerlicher Sack" - es geht auch um die tiefe Einsicht, dass jeder Gedanke prinzipiell ein Urteil ist und eine Distanz zur Realität erzeugt. Daher die Bedeutung von Meditation und Gedankenstille. Die Realität ist unendlich komplex, Gedanken sind primitiv. Wir können jetzt unser Leben nach unseren Gedanken ausrichten, oder die Realität durch uns fliessen lassen.Wenn alle Seinsschichten ungespalten und somit zentriert sind, kann die Seelenenergie von oben und unten völlig frei fliessen wie ein Lichtkanal.
Körper, Geist, Seele,.... unsere Seinsebenen zentriert und ungespalten |
Jeder von uns kann sich auch an Beispiele im Leben erinnern, wo wir besonders ausgelassen und sorgenfrei sind, in denen wir überhaupt nicht hinterfragen was wir tun, oft in Verbindung mit unserer Leidenschaft oder körperlicher Bewegung (aktive Meditation). Wir sind dann im "flow" wie es auch heißt. Es ist fast so, als würde man mit der Situation verschmelzen und in ihr verschwinden, dann sind wir "heilig".
Meist leiden wir aber nicht nur unter einer Spaltung, es ist sogar eine Fragmentierung in unzählige Teile. Und je nach Situation setzen wir unterschiedliche Masken auf. Mit jedem Menschen sprechen wir anders, und jede Situation müssen wir aufs neue einschätzen, sie vergleichen mit dem was wir dazu im Gedächtnis abgespeichert haben, müssen uns selbst und Wahlmöglichkeiten beurteilen, Folgen in der Zukunft abwägen, um dann zu einem "vernünftigen" Ergebnis zu kommen, was wir jetzt am besten tun und sagen. Das ist sehr anstrengend.
Ein Meister aber ist wie die Sonne
Sie strahlt einfach nach aussen und hinterfragt sich nicht. Nur das Ego will sich selbst beleuchten, hinterfragen und vergleichen. Dazu muss es sich abspalten.Hier eine überraschende Aussage von Krishnamurti, die zuerst kontra-intuitiv scheint. Er sagt:
Für einen Meister gibt es keine Entscheidungsmöglichkeiten
Das ist aber völlig klar: er fühlt was richtig ist zu tun - aus der Seele, nicht aufgrund von Grübeleien, weil er urteilsfrei wahrnimmt! Er hat keine Qual der Wahl! Der Grund für unser Grübeln liegt in den Spaltungen unseres Bewusstseins und den entstehenden Konflikten in uns. K:
Wahl muss dort existieren wo Dualität herrscht. Wenn die Psyche nicht heil und ganz ist, und sie sich dieser Unvollständigkeit bewusst wird, erdenkt sie sich Standards und Ideale, und beurteilt danach jede Erfahrung und Handlung, und lebt somit in einem ständigen Zustand der Wahl. Wahl entsteht nur durch Widerstand.Wir fragen verzweifelt die Engel und channeling-medien: was ist meine Berufung? Was soll ich machen im Leben? Unsere Aufgabe ist aber wohl, so selbstbewusst zu werden, dass uns das selbst bewusst ist. Hier ist natürlich wieder die "positive" Art von Selbstbewusstsein gemeint, die aus der Seele kommt. Ohne diese Verbindung müssen wir mit dem Verstand Entscheidungen treffen. Und weil wir Entscheidungen treffen, haben wir die Verbindung nicht. Wir trennen gemäß unseren Programmierungen von Gut und Schlecht das eine vom anderen, und führen auf ewig ein fragmentiertes Leben neben dem Lebensstrom. Diese Leere in uns existiert solange unser Handeln auf Wahl und Dualität beruht.
Hier die nächste "seltsame" Aussage von Krishnamurti, die auch zuerst einmal stutzig macht:
Wer sich seiner Bescheidenheit bewusst ist, ist nicht länger bescheiden.
Die Aussage funktioniert in unterschiedlichsten Varianten, z.B.: wer sich seiner Friedlichkeit bewusst ist, ist nicht länger friedlich. Wer sich Liebe bewusst ist, weiss nicht was Liebe ist, usw. Oder: Wer behauptet Ich weiss, der weiss bestimmt nicht. Was heisst das?Die genannten Eigenschaften in ihrer authentischen Form sind die Folge von ganzheitlichem Sein ohne Zweifel! Ohne dass man dann etwas dafür "tun" müsste. Wenn ich aber in meinem Kopf eine Idee darüber bilde, wie es aussieht bescheiden zu sein, was ich dafür tun muss und was ich lassen muss, um das auch in Zukunft richtig zu machen, dann jage ich einem eingeschränkten gedanklichen Konzept hinterher. Somit entsteht das, was das Konzept beinhalten, und das was es nicht beinhaltet: ich befinde mich in der Dualität, und bin somit nicht ganzheitlich, und auch nicht authentisch bescheiden. Das Resultat dieses Dilemmas ist das was wir Ego nennen, wir sind dann unnatürlich, falsch, aufgesetzt, mechanisch, imitierend, eingebildet, berechnend, etc.
Auf diese Weise haben wir eine fragmentierte Welt erschaffen aus gedanklichen Konzepten, die alle eingeschränkt sind, und deshalb einen Gegenpol haben müssen (jeweils das was der Gedanke nicht meint: Unbescheidenheit, Hass, Gewalt,....). Wir leben somit in einer Welt in der weder das "Gute" noch das "Schlechte" authentisch ist. Das ist unsere eigene Schöpfung. K:
Ihr seid sowohl Hass als auch Liebe. Aber wenn ihr nur Liebe kultiviert und eine bewusste Anstrengung unternehmt sie zu verfolgen, dann ist Liebe nicht mehr Liebe. Da ist nur Fokus auf dem Partiellen. Es ist nicht entscheidend was hässlich ist und was schön, sondern völlig sensitiv zu sein für den gesamten Prozess des Lebens der euch ausmacht.Wir glauben Entwicklung und Evolution sind ein ständiges Ausfiltern des Schlechten, und Streben zum Guten. Das machen wir auf Basis unserer illusionären Gedanken im Kopf. Es ist einleuchtend, dass Heiligkeit (Ganzheit) so nie erreicht wird. Und es ist wohl eines dieser Mysterien des Lebens, dass wenn wir nicht mehr kritisieren, sondern annehmen und heil sind, und aus dieser Heiligkeit heraus handeln, dann auch nichts mehr da ist, was es zu kritisieren gäbe.
(Q) |
Ein besonders schönes Beispiel zu dem Thema ist die Aussage "ich bin spirituell". Das ist von vornherein eine Schublade die nur durch ihre Gegenpole existiert, und so zur Falle für die "Spirituellen" wird. Wir haben unzählige Vorstellungen davon, was eine spirituelle Person ist und was sie tun darf. So werden wir kalkulierende, heuchlerische Menschen.
Dass ein Meister nicht urteilt sehen wir z.B. auch bei Eckhart Tolle, der sagt:
Eckhart Tolle: "Ich habe keine Meinungen über mich selbst"
Jemand fragt ihn: "Wie ist es für dich, du zu sein? Wie nimmst du dich selbst wahr?" Eckharts Antwort in dem Video hat mich bewegt, vor allem der letzte Teil, und wie K. fällt ihm die Antwort nicht leicht:Das ist sehr schwer zu beantworten, weil da nicht viel da ist. ... Da ist ein Raum von Präsenz und Bewusstsein ... Aber da sind keine Meinungen über mich selbst." (Q)Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Normalerweise besteht unser Ich zu einem Großteil aus unseren Meinungen über uns. Diese Wolke aus Gedanken und Urteilen in uns verstrickt uns und vernebelt die Sicht auf unser hoch-intelligentes, hoch-intuitives Selbst.
Meister wie K., Eckhart Tolle und Osho u.a. entgeht vermutlich keine Regung in ihrem Bewusstsein (sind sehr selbstbewusst auf Seelenebene). Diese Realität auf der mentalen Ebene zu hinterfragen ist eine ganz andere Sache.