Die Ahnenverehrung im Schamanismus - der Weltenbaum in Reinkultur
Das Wissen über den Weltenbaum lässt auch das Konzept der "Ahnenverehrung" in ganz neuem Licht erscheinen. Denn dabei geht es tatsächlich nicht (nur) um den biologischen Opa und die Großtante, sondern um die spirituelle Struktur des "Seelenstammbaumes". Alle Seelen sind Ahnen bis zurück zum Ursprung. In diesem Konzept sind das, was anderswo höheres Ich, Erzengel, Cherubim und Seraphim genannt wird, "Ahnen". Die Ahnenverehrung in Afrika, bei den indigenen Völkern in Süd- und Nordamerika, Zentralasien, Mongolei, Sibirien, etc. ist von allen spirituellen Formen eigentlich jene, die am direktesten auf das Konzept des Weltenbaumes hinweist, der hier eine herausragende Rolle spielt.die Schamanentrommel ist durch den symbolischen Weltenbaum unterteilt (Q) |
"Der Schamane ist der Mittler zwischen den Welten. Er kann durch das Erklimmen des 'Weltenbaumes' in den 'Fluss der Seelen' eintauchen" (Q) Und hier liest man: "Die Schamanen haben ihren Ursprung in den Vorstellungen von der Durchlässigkeit der Welten. Wie die sibirischen Mythen berichten, konnten früher alle Menschen diese Grenzen passieren, ... es sei aber schließlich üblich geworden, dass nur noch von den Geistern ausgewählte und ausgebildete Menschen solche Reisen unternahmen: die Schamanen als geschulte Mittler."
"Es sei üblich geworden" ist ja eine sehr lockere Beschreibung für das was bei den Christen die dramatische Vertreibung aus dem Paradies ist. Auch die Aussage "Der Weltenbaum verbindet die reale Welt mit der vormaligen Welt im Urzustand, die noch nicht vom Himmel getrennt war"(Q) könnte auf diesen Bruch hindeuten. Es drängt sich die Frage auf: könnte es wieder ein Zeitalter geben, in der die Grenzen wieder durchlässiger sind für jeden? Aber weiter:
Die Schamanen sagen dass die Seelen an den Zweigen des Weltenbaumes geboren werden, und diese inkarnierende Seele, die bei den Mongolen "ami" heißt, "kehrt nach dem Tod zurück zum Weltenbaum, wo sie in seinen Ästen und Zweigen zwischen Himmel und Erde in der Form eines Vogels sitzt." Ein sechs Monate altes Baby würde sich noch immer an den Baum erinnern, an dem sein Geist einem Vogel gleich geruht hätte. Nun, das kommt uns aber bekannt vor! Interessant auch, dass die Schamanen wie die Hinduisten ein den Körper umgebendes Energiefeld beschreiben, das in sich eine aufrechte Achse und 7 Öffnungen besitzt. (Q,Q,Q)
Der Schamane erklimmt den Weltenbaum
Sky Shamans of Mongolia, von Kevin Turner |
Aufstieg im "Weltenbaum" |
Der Autor weist auch auf die unübersehbaren Parallelen mit Odin hin, dessen Mythos klare schamanistische Züge zeigt - der Schamanismus kann bis in die Steinzeit zurückverfolgt werden und bildet auch für uns eine Art Urreligion. So wie Odin sein "Pferd" Yggdrasil verwendet, so verwendet der Schamane für seine Trance-Reisen seine geistigen Fähigkeiten, genannt "hiimori", was soviel bedeutet wie Windpferd - das nationale Wappentier der Mongolei. So wie Bewusstsein sich absenkte in Form eines Baumes, so erklimmt ihn der Schamane als Symbol für seine geistige Reise nach oben.
1 Wort für Gott und Baum!
Den Weltenbaum findet man sogar in der Jurte, dem Zelt der Nomadenstämme, denn es ist eine Schöpfungs-Miniatur, wobei die zentrale Feuerstelle mit ihrer Rauchsäule den Weltenbaum symbolisiert (Q). Bei den Turkvölkern heisst der Pfeiler im Zelt bagana, was sich ableitet vom indogermanischen bhag für Baum, und aus der selben Wurzel stammt - oh Wunder - das Wort für Gott: auf russisch Bog, im persischen Zoroastrismus Baga, und im Hinduismus gibt es den vedischen Bagha ("der Verteiler"). Das ist wieder völlig einleuchtend: die Bedeutung des indogermanischen bhag ist "zerteilen, verteilen" - das Merkmal des sich baumförmig zerteilenden Bewusstseins in der Schöpfung! (Q,Q,Q).Turkvölker erzählen auch den Mythos des Vorvaters "Odun", was in der heutigen türkischen Sprache Holz, oder Holzscheit bedeutet. (Q) Vergleiche mit dem nordischen Odin (Teil 3) drängen sich auf.
Alles ist Bewusstsein
Typisch ist ausserdem im Schamanismus (wie auch etwa im alchemistischen Weltbild Q), dass alles Seele besitzt - der Wald, die Berge, die Seen, Flüsse, Felsen - seltsam, oder? Aber ist es nicht so wie im Traum, wo wir auch nicht auf die Idee kämen, dass alles um uns herum Bewusstsein ist? Auch gemäß der Kabbalah hat selbst ein Stein eine subtile Form von Bewusstsein. Es ist das Bild der Welt als ein gewaltiger Traum, hervorgegangen aus höheren Ebenen. Ein Traum, den wir aber nicht als solchen durchschauen, solange wir zu tief "schlafen".Europäischer Schamanismus - Druiden und Hexen
In den heiligen Hainen der Druiden drehte sich natürlich auch alles um den Baum. Das Wort "Druide" (keltisch "druwids"), setzt sich zusammen aus "dru" für Eiche, und "weid" für "ich erkannte/erblickte". Wenn man dazu beachtet, dass für die Kelten die Eiche das Symbol für den Himmelsgott war (was sonst!), war der Druide ein Seher, der "Gott erkannt hat" und ins Jenseits schauen konnte (Q). Das selbe gilt für alte Mystiker Syriens, die man "Zedern" nannte (Q).Die großen keltischen Feste beruhen stark auf dem Prinzip der Durchlässigkeit der Welten, wie etwa Samhain - die "Ahnennacht" - in der die "Trennwände" als besonders dünn galten. Parallelen dazu sind etwa Allerseelen und Halloween. Besonders interessant ist die Walpurgisnacht auf den 1. Mai, an dem der Maibaum als Symbol des Weltenbaumes aufgestellt wird (Q). Wie im Hexenhammer von 1486 beschrieben, warf man vermeintlichen Hexen vor, sie würden auf Holzgegenständen wie Holzscheiten, Stühlen, Bänken, Besen und Stecken fliegen, nachdem sie sich (oder das Fluggerät) mit Hexensalbe eingerieben hatten, um sich so mit fremden Mächten zu treffen (Q,Q). Wenn man die Hintergründe dazu kennt, dann geht einem ein Licht auf: mögliche Ursprünge dieser "Flugsalbe" werden in antiken Mythen vermutet, in denen sich Hera mit Ambrosia einrieb, um zu Zeus auf den Idaberg zu gelangen! (Q)
Der Baum - Tor in die anderen Welten
Der Baum ist somit in vielen Kulturen das Tor in andere Welten, wie auch Fred Hageneder auf seiner tollen Seite zum Weltenbaum belegt, die ich nur empfehlen kann. Beide Symbole werden gern kombiniert:"Links: Der mesopotamische Weltenbaum, der in der altjüdischen Religion zum Baum des Lichtes, der Menorah wurde. Rechts: Der altägyptische Totengott Anubis führt die Seele des Verstorbenen 'durch den Baum' zum Tor der Unterwelt." Quelle: Fred Hageneder |
Um auf die schamanistische Ahnenverehrung zurückzukommen - was hielten eigentlich die christlichen Missionare in Afrika davon? Natürlich nicht viel, weil sie nur Christus als den einzigen Mittler zu Gott erlaubten. Aber was ist das "Christus-Bewusstsein"? Es beinhaltet auch seine hervorgebrachten Emanationen, und deren weitere Emanationen usw... unzählige "Ahnen" bis hinunter zu uns. Es gibt so viele Wege zu Gott wie es Lebewesen gibt. Sie sahen also Widersprüche wo gar keine sind, und zwar offensichtlich wegen einem schlechten Verständnis dessen was Jesus selbst mit seinen Baumgleichnissen vermitteln wollte.
Selbst wenn wir Schamanismus und Ahnenverehrung nicht automatisch mit Jesus in Verbindung bringen, so war er, der unablässig mit seinem Vater Kontakt aufnahm (mehr Ahnen hat er selbst als "Gottessohn" nicht), und der die Menschen wiederum als seine Söhne bezeichnete, doch auch ein Schamane. Das Wortes Schamane bezeichnet einen "Wissenden", "Erhabenen", in "andere Welten entrückten". Damit verwandt ist das indische Pali-Wort „śamana“, das einen Mönch bezeichnet, und das chinesische Wort "sha-men" für Hexe. Lassen wir also alle Vorstellungen davon los, auf welche Regionen und Religionen angeblich ein Schamane begrenzt ist!
Pfingsten - die Schöpfung feiert Geburtstag
Zu Pfingsten wird die "Ausgießung des heiligen Geistes" gefeiert (Q). Was das heisst, darum ging es ausführlich in Teil 4. In einer Bibel-Geschichte senkt sich der heilige Geist (symbolisiert als Feuerzungen) auf die Apostel herab - auch das ist eine Erinnerung an die potentielle Durchlässigkeit der Welten - eine Erleuchtungserfahrung. Und was die Erleuchtung im Kleinen ist, das ist im Großen etwas anderes: denn die originale Ausgießung des heiligen Geistes ist nichts anderes als die Entstehung der Schöpfung selbst. Wie Jane Robert's Seth so treffend erklärte, sind die Jesus-Geschichten wie ein göttliches Schauspiel, in dem fundamentale Vorgänge der Schöpfung wie in einem Theaterstück vorgespielt werden.Infoblatt einer christlichen Seite |
Die 3 großen christlichen Feste könnte man so sehen: Pfingsten (das Absenken des göttlichen Bewusstseins), die Geburt von Jesus (das Bewusstsein kommt auf der niedrigsten Ebene als Mensch an), und Ostern, der Wieder-Aufstieg ("Himmelfahrt"), damit sich ein Zyklus ergibt. Die christlichen Theologen sagen, zu Pfingsten feiert die Kirche Geburtstag (das Schauen über den Tellerrand fällt wie immer schwer), es ist aber der Geburtstag der Schöpfung.
... und die Weltenachse richtet sich auf
Somit ergibt es Sinn, dass zu Pfingsten der Maibaum feierlich aufgestellt wird als Symbol der Weltenachse (Q, Q), die ja durch das "Ausfliessen" der Emanationen entsteht! Und auch hier ist das Klettern auf den Weltenbaum fixer Bestandteil des Brauches, nur dass der Schamane die Bedeutung kennt, während es bei uns nur ein lustiger Wettbewerb ist. Viele Pfingstbräuche drehen sich um Bäume, wie das Pfingsbaumpflanzen, das Birkenstecken, der Kirchweihbaum, oder der Oelder Pfingstenkranz, der ebenso auf Wotan (=Odin) zurückgeht.
In Ägypten wiederum wurde alljährlich im Frühling die Aufrichtung des Djed-Pfeilers gefeiert (Q). Bei den Griechen wurde im Frühling ein Dionysos-Pfeiler aufgestellt, wie auf Sarkophagen und Vasen zu sehen ist.
Gemeinhin wird der Maibaum als Symbol für Fruchtbarkeit, den Frühling und die Erneuerung der Natur gesehen. Das ist ja auch richtig, aber das liegt wieder an der fraktalen Natur des Seins: aus Schöpfung durch Bewusstsein wird Schöpfung durch Biologie, der Seelenstammbaum wird zu einem biologischen Stammbaum, und der Schöpfungszyklus wird zum Jahreszyklus! Unsere Welt ist ein kleines Abbild vom Ganzen. Das heisst aber auch: wenn man Mythen ganz verstehen will, darf man nicht einfach nur die eigene Ebene berücksichten. Das Ergebnis wird zwar nie "falsch" sein, aber auch ziemlich banal. Von Mesopotamien über die Ureinwohner Nordamerikas bis zu den Aborigines waren die jährlichen Riten Sinnbild des gesamten Schöpfungszyklus (Q).
Und was bei uns ein lustiger Tanz um den Maibaum ist, war bei den Indianern in Nordamerika der Sonnentanz:
"Während der Zeremonie denkt der Tänzer an den Baum, realisierend dass es der Baum des Lebens ist, der den Großen Geist (Wankan Tanka) verkörpert. Die Gebete werden zu einem spirituellen Wind der den Tänzer durchfährt, durch Rücken, Arme, in den Baum hinauf, in die ultimative Kraft von Wankan Tanka." (Q)
Es gibt nur einen feinen Unterschied: die Bänder wurden mit Haken in der Haut verankert. Der Baum ist die Verbindung zu Gott, und diese sollte offensichtlich durch eine schmerzinduzierte Trance hergestellt werden. Nach der Besiedelung durch die Europäer wurde das Ritual verboten, und erst 1978 von Jimmy Carter im Indian Religious Freedom Act wieder erlaubt. Einige zum Teil originale Bilder: 1.2.3.4.5
irokesischer Weltenbaum nach Wayne Eagleboy (Q) |
Der hinduistische Rausschmeisser für diesen Teil:
In einem berühmten Mythos bewundern Vishnu und Brahma die gerade entstandene Weltenachse, eine gewaltige Lichtsäule, und beschliessen einen Wettkampf: wer zuerst ein Ende der Säule erreicht, der ist Sieger. Und so sausen sie jeweils in entgegengesetzter Richtung los, doch auch nach Äonen kann keiner von beiden ein Ende der Weltenachse erreichen! Da erscheint plötzlich Shiva, der 3. Gott der Trimurti, lacht die 2 aus und erklärt sich selbst zum Sieger (Q)!Die 2 können kein Ende finden, denn die Auseinanderbewegung selbst ist das Wachsen der Weltenachse! Es ist, als würde man auf einem Pferd reiten und ihm eine Karotte vor die Nase halten, aber egal wie schnell es läuft, es kann sie nie erreichen! Es ist Shiva (Kontraktion) der die Expansion stoppt und die Vielheit der Schöpfung irgendwann wieder in die Einheit zurückbringt.
Und so haben die Götter den allerersten Maibaum-Kletterwettbewerb ausgetragen! Im nächsten Teil: der Weltenbaum bei den Maya und Azteken.