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Dienstag, 12. Juli 2016

Der Weltenbaum Teil 10: Die Rückkehr der Seelen

Können wir den Apfel wieder an den Baum kleben? 

Das ist es was wir zu Weihnachten symbolisch tun, wenn wir die verloren gegangenen Äpfel, die wir selbst sind, wieder an den Baum hängen, als eine Umkehr und Wiedergutmachung einer verloren gegangenen Verbindung. Das ist der Sinn von Religion, was "Rückanbindung" bedeutet. Das ist das eigentliche Weihnachtsgeschenk, das sich die Menschen (irgendwo tief im Unterbewusstsein natürlich) wünschen. Auch wenn wir meistens nur Socken bekommen.

"Im Mittelalter behängte man den Baum, der durchaus auch ein Laubbaum sein konnte, mit Äpfeln. Noch Anfang des 20. Jahrhunderts gehörten Adam und Eva sowie eine Schlange zum traditionellen Christbaumschmuck in Norddeutschland, da der 24. Dezember in der Liturgie der Gedenktag Adam und Evas war."(Q, Q) Wenn man an die Schlange denkt, sieht man die Girlanden um Weichnachts- und Maibaum mit neuen Augen! Und was ist ein Weihnachtsbaum anderes, als der Versuch, einen Baum aus Licht nachzuahmen (Lichtanalogie)?

Absurd: "Die katholische Kirche wehrte sich lange gegen die Weihnachtsbäume, weil sie in ihnen eine Konkurrenz zur Weihnachtskrippe sah und der Tanne ausserdem der heidnische Bezug anhaftete. Erst im Laufe des 20. Jahrhunderts akzeptierte auch die katholische Kirche den Christbaum." (Q)

Diese ganze Symbolik der erhofften Rückanbindung ist insofern passend, da oft angenommen wird, dass das Jahr 0 den Tiefstpunkt und die Kehrtwende im Schöpfungszyklus markiert (siehe auch den religiösen Begriff Umkehr). Jetzt haben wir also in 10 Teilen den berühmten Weltenbaum kennengelernt, in dem die Seelen "hinfortfliegen". Nur wollen die zersprenkelten Teile vermutlich auch wieder zurück!

Die Rückkehr der Seelen - die zweite Richtung des Weltenbaumes!

Es gibt die 2. Hälfte der Reise, und deshalb auch eine 2. Variante des Weltenbaumes, wobei der jetzt von der Erde zum "Himmel" wächst, damit sich der Kreislauf schliesst. Diese Perspektive ist für uns auch intuitiver. Man könnte sagen, es ist dann weniger ein "Schöpfungsbaum" sondern eher ein "Rückkehr-Baum".

In der Bibel stehen beide Bäume nebeneinander:

Abstieg und Aufstieg = die 2 Bäume der Bibel

Beide Bäume sind in der Essenz Eins, so wie ein Aufzug, in dem ich entweder nach oben oder nach unten fahren kann. Das eine ist der "Baum des Lebens", das andere der "Baum der Erkenntnis von Gut und Schlecht". Offensichtlich ist es so, dass "Leben" und "Erkennen von Gut und Schlecht" sich ausschliessen. Das simple Prinzip heisst: Leben beruht auf Ganzheit, Sterblichkeit auf Spaltung. Der beurteilende Verstand spaltet immer. Wenn Jesus sagte: "Urteilt nicht", dann hätte er auch sagen können "esst nicht die Früchte von gut und schlecht". Die Wahrheit des Sein selbst ist ganzheitlich, und kann nur beurteilungslos wahrgenommen werden.

Sind die Früchte des Weltenbaumes gut oder schlecht?

Dadurch, dass es im Weltenbaum also 2 Richtungen gibt, entsteht eine Verwirrung, wenn man die Mythen interpretiert. In manchen Darstellungen wächst der Weltenbaum von der Erde zum Himmel, manchmal umgekehrt. Und je nach Mythos weiss man nicht so recht, ob die Früchte Göttlichkeit symbolisieren oder den Tod bringen, ob die Protagonisten einen fatalen Irrtum begeht, ob sie die "richtigen" Früchte erwischen, etc. Man weiss nicht mehr wo oben und unten ist!

Doch diese Verwirrung in uns (die Einflüsterung der Schlange) ist Bestandteil des Mythos. Wir haben als Menschen die Orientierung verloren und wissen nicht, welches Handeln zu mehr Einheit oder zu mehr Trennung führt. Noch heute können sicher die wenigsten erklären, was am "Erkennen von gut und schlecht" denn schlecht sein soll. Und noch heute glauben wir, unser menschlicher Verstand macht uns zur Krone der Schöpfung. Das stimmt auch, nur dass die Krone eben am weitesten entfernt ist vom Stamm.

C.G. Jung sagte darüber: "Alle Unterscheidungen zu verlernen ausser die der Richtung ist Teil der Erlösung. So befreit man sich vom alten Fluch des Wissens von Gut und Schlecht. Weil du beides getrennt hast und nur nach dem Guten strebtest und das Schlechte verleugnetest während du es trotzdem begingst, war der Baum von den Nährstoffen der Tiefe abgeschnitten." (Q)

Die Frage, ob die "Früchte von Gut und Schlecht" gut oder schlecht sind, zeigt jedenfalls eines, nämlich dass wir sie gegessen haben! Es gibt auch keine einfache Antwort, denn die Sache ist ambivalent: im Buddhismus z.B. wird die menschliche Daseinsform - obwohl mit so viel Leid verbunden - am gewinnbringendsten von allen eingeschätzt (Q).

Der Kreis schliesst sich:

Schöpfungszyklus im Buddhismus
Beim hinduistischen Ashwatta ist es so: anstatt von 2 Bäumen gibt es hier einfach 2 Arten von Früchten: die des Aufstiegs, und die des Abstiegs (Q). Auch clever! Der Schöpfungszyklus ist bekannterweise im Hinduismus in 4 Yugas eingeteilt, wonach wir uns momentan im dunklen, eisernen "Kali-Yuga des Konfliktes" befinden, was mit dem eisernen Zeitalter nach Hesiod bei den Griechen in Verbindung gebracht wird (Q). Weltweit verbreitetes Symbol für den ewigen Kreislauf ist der Ouroboros, die Schlange die sich in den Schwanz beisst (Q).

Dass der Weltenbaum in zwei Richtungen "bereist" werden kann, war natürlich auch den Kabbalisten sonnenklar (siehe hier).

Man kann die 2 Bäume auch übereinanderstellen, wie hier beim skandinavischen Yggdrasil. Warum auch nicht? Dass es sich um einen Kreislauf handelt, kann man daran erahnen, dass sich die Blätter fast berühren.

Der nordische Weltenbaum (Darstellung von 1874)

Aber die beste Darstellung ist der berühmte keltische Weltenbaum. Er symbolisiert perfekt den ewigen Kreislauf zwischen Vielfalt und Einheit. Das wird im Hinduismus mit einer Aus- und Einatembewegung des göttlichen Bewusstseins verglichen. Aus der Einheit strömen die Seelen in die Vielheit, und die suchen sich einen neuen Weg (unten herum) zurück zur Einheit. Das hat ausserdem eine stark dualistische Komponente, weil der gespiegelte Baum auch das Unterbewusstsein darstellt. Genau dieses gilt es aufzuarbeiten und beim Rückweg "mitzunehmen", sodass wieder Einheit entsteht.
Der keltische Lebensbaum
Genau dieser Kreislauf der Existenz wir auch ein paar tausend Kilometer entfernt im chinesischen Daodejing beschrieben, den Schriften des legendären Laozi, auf dem u.a. der Daoismus beruht. Das "Dao" ist der unaussprechliche Urgrund allen Seins (und hat anscheinend weiblichen Artikel):
Sie ist der Beginn der unzähligen Dinge (§1), und die unzähligen Dinge fliessen zurück zu ihr. (§34) Sie vollendet den Kreislauf und verliert dabei an nichts. Sie ist klein als auch groß. Das Große führt weit fort, und weit entfernt dreht sie, und drehend kommt sie zurück. (§25) Windend und drehend: sie kann nicht benannt werden. Sie führt zurück in die Formlosigkeit. Sie ist verborgenes Licht! (§14) (eng.)
Exakter kann man die Abbildung des keltischen Weltenbaumes kaum beschreiben! Und im Kommentar der Herausgeber zu Kapitel §40 heisst es:
Was dieses Kapitel berühmt macht, ist die Sequenz von "Seinslosigkeit" über "Sein" zu "Alles was ist". Jedes, so heißt es, bringt das nächste hervor, wobei das verwendete chinesische Verb für "hervorbringen" ein Pflanzenwachstum andeutet. In anderen Worten, das grundlegende Bild ist das eines Samens der zum Trieb wird, und dann zu einem Baum. (Q)
So eine Überraschung! Wir sind also wieder genau beim Thema, bei Jesus' Samenkornanalogie wenn man so will.

Der keltische Weltenbaum zeigt, dass die materielle Ebene keine Sackgasse ist, wo das Bewusstsein 180° umdreht und den selben Weg retour geht.  Es ist also nicht unbedingt so dass der Baum wächst und dann wieder zurückschrumpft. Auch der Rückweg ist Teil des großen Kreislaufes, mit neuen Erfahrungen. Eine Stelle eines modernen channelings (crimson circle), die eigentlich nicht vom Weltenbaum handelt, beschreibt das:
Hinter der festen Materie, hinter der Dualität verbirgt sich eine weitere Tür, eine völlig neue Physik, aber es wird dahinter nicht noch dichter. Und ihr geht auch nicht zurück nach oben. Nein, ihr geht hindurch und im Kreislauf herum. Es ist eine große Spirale. (Q)

Schöpfungsprinzipien im Daodejing

Aber weiter im Daodejing: auch hier findet man das Aufspalten und Verringern des "göttlichen Lichtes", wenn es heißt:
Das Dao trennt sein Sein auf, verringert sein Licht, verschmilzt mit der Erde (Q)
Das "Gewebe" (engl. weft) des Sein trennt sich auf, so wie auch Licht beim Schicken durch ein Prisma in einzelne Farben aufgetrennt wird. Dadurch verringert sich das "Licht" mehr und mehr, und drittens: letztlich entsteht dabei eine Ebene der Materie - der "Staub der Erde" wie es in manchen Übersetzungen heisst. Somit sind die wichtigsten Faktoren in einem einfachen Satz enthalten! In China werden übrigens traditionell 9 Himmel (Tian) definiert, oder auch gleich 36 (Q).

Yin und Yang + Weltenbaum

In den Upanishaden... 

gibt es Analogien zu diesem Rückweg, bei dem aus Vielheit wieder Einheit wird, wobei sich alles, was ich in den vorigen 9 Teilen erklärt habe, umdreht:

"So wie Bienen den Saft von Bäumen zur Einheit zusammentragen, und niemand sagen kann, von welchem Baum welcher Saft kam; so wie die Flüsse sich im Ozean vereinigen, und niemand sagen kann, welches Wasser von welchem Fluss kam; egal ob Tiger, oder Löwe, oder Wolf, oder Eber, oder Vogel, in dieses Seiende gehen sie zurück. so wie sich das Leben aus einem Ast zurückzieht, und der Ast abstirbt; so stirbt der Leib, wenn er vom Leben verlassen wird, nicht aber stirbt das Leben; so wie der Baum im Baumsamen unsichtbar ist, aus solcher Feinheit die du nicht wahrnimmst, aus jenem Bestehen ist dieses Weltall, das ist das Reale, das ist die Seele, das bist du." (Q)

Die selbe Symbolik finden wir im Daoismus: "Das Dao in der Welt ist wie ein Fluss der zurück in die Heimat des Meeres fliesst." (Daodejing Kapitel 32, nach der Übers. v. Gia Fu Feng und Jane English)

Es ist nicht so als gäbe es im Hinduismus voneinander getrennte Götter, mit Begriffen wie Polytheismus muss man sehr aufpassen (oder sie am besten nicht verwenden). Genauso wie im Christentum ist die hinduistische Dreifaltigkeit (Trimurti) 3 Eigenschaften des Einen (Brahman), und alles Sein in der Schöpfung ging daraus hervor. Aus dem Bhagavata Purana:

Herr, auch wenn die Menschen bestimmte deiner Ausformungen verehren, so verehren sie nur dich, denn du bist die Gesamtsumme aller Devas. So wie sich der Regen in den Flüssen sammelt die sich im Ozean vereinen, so vereinen sich alle Wege in dir (Q).

Die Welten werden wieder eingefaltet

Bei der Rückkehr, die der keltische Weltbenbaum oder etwa der Mayakalender so großartig beschreibt, werden alle Ebenen in umgekehrter Reihenfolge ihrer Entstehung wieder angehoben.
Die "Himmel" werden wieder in das EINE "zusammengerollt". Das ist hier mit Bezug auf eine (Baum-)Wurzel in den Nag Hammadi-Schriften so beschrieben:
Und ihre Himmel werden aufeinander fallen.... Und das Licht wird sich zurückziehen hinauf zu seiner Wurzel.
Die Menschen früher hatten Angst vor dem letzten Tag, an dem Gott mit Posaunen und Trompeten die Welt wieder zerstören würde. Im Hinduismus ist es Shiva, der Zerstörer, der das erledigt, was ja in Wahrheit etwas Gutes ist, denn es ist eine Transformation in einen höheren Zustand. Dabei wird der "sterbliche Körper als unsterblicher Körper wiedererweckt", wie Paulus sagt (Korintherbriefe). Solange das noch nicht der Fall ist, "trampelt" Kali auf Shiva herum und verhindert das.

Diese Ära des "Kali-Yuga" in der wir uns befinden ist bei Paulus durch 2 symbolische Eckpfeiler definiert: "so wie wir mit Adam in die Sterblichkeit der materiellen Seinsform eingetreten sind, so sollen wir mit Jesus wieder aufsteigen" - hier ist also der Zyklus der gesamten Menschheit gemeint, der eingebettet ist in den Zyklus des ganzen materiellen Universums. Beides ist insofern verknüpft, wenn man nach der buddhistischen Auffassung gehen will, nach der die Welt mit Verlassen des letzten Bewohners verschwindet - der letzte dreht das Licht aus! Wie am letzten Tag der Schule, aber es ist der letzte Tag in der materiellen Welt.

Über diese Auferweckung (engl. raising: Anhebung, Aufstieg) am letzten Tag, die dem Themenkreis des globalen "Bewusstseinssprunges" in eine höherdimensionale Daseinsform entspricht, liest man unter 1 Korinther 15:

"Jetzt sind unsere Körper nicht perfekt, aber wenn sie auferstehen werden, werden sie voller Herrlichkeit sein. Jetzt sind sie schwach, dann aber voller Kraft. Jetzt sind es natürliche menschliche Körper, aber wenn sie auferstehen, werden es geistliche Körper sein.  .... Denn unser vergänglicher irdischer Körper muss in einen himmlischen Körper verwandelt werden, der nicht mehr sterben wird." (Q)

Selbst das Tote wird angehoben. Um es esoterisch zu sagen: egal welche welche Energien noch in der Materie gefangen sind, welche Knochen in der Erde herumliegen, welche Geister noch verirrt sein mögen, alles wird bis dorthin freigespült und angehoben. Spätestens bei dieser Auferweckung sind wir "Erwachte".

Zyklen innerhalb von Zyklen

In Wikipedia ist zu lesen, dass die Auferweckung am jüngsten Tag und die Lehre der Reinkarnation "schwerlich" vereinbar sind. Das ist grundlegend falsch. Wir sprechen hier von völlig unterschiedlichen Ebenen von Zyklen. Es ist, als würde jemand davon sprechen, dass Schüler jeden Tag in die Schule gehen, und diese auch jeden Tag wieder verlassen. Und ein anderer redet davon, dass am Anfang des Jahres die Schule aufgesperrt wird, und am Ende des Schuljahres wieder zugesperrt wird....und die kleinen 1.-Klässler eine Stufe höher kommen. Ist das schwerlich vereinbar? Nur wenn man das System nicht verstanden hat, was leider auch bei den meisten Pfarrern, Theologen und sonstigen "Experten" der Fall ist.

Weil es hier ja um den Weltenbaum geht, noch der Hinweis, dass auch dieser Aufstieg explizit als "blitzartig" beschrieben wird (Q,Q), Paulus meint zwar scheinbar die Schnelligkeit in der das geschehen soll, angesichts dessen worum es in den vorigen 10 Teilen ging muss man aber hinterfragen, ob nicht Jesus ursprünglich wieder die übliche Symbolik meinte, in der er auch den Abstieg beschrieb, nur dass jetzt die Blitzform Richtung Einheit zurückverfolgt wird.