Montag, 3. August 2015

Was sind Gedanken? I: über Dinge, Raumzeit, Wahrheit, Erleuchtung und Verrücktheit

Ich dachte mir, ich schreibe über Gedanken. Es stellte sich heraus, es ist das womöglich wichtigste Thema der Menschheit lol. Deshalb wurde wie so oft bei mir, eine mehrteilige Artikelreihe daraus. Ich bin nach wie vor in meiner "Krishnamurti-Phase", deshalb gibt es wieder viele Zitate von ihm, und anderen. Es ist eine etwas schwierige Materie, jemand könnte meinen ein bisschen "philosophisch", ein bisschen abstrakt. Aber abstrakt ist es ja nur, weil wir noch nicht so vertraut damit sind. Es liegt an uns selbst, aus diesem Wissen Wahrheit zu machen, z.B. durch Selbstbeobachtung. Wir müssen die Funktionsweise unseres Oberstübchens durchschauen, damit wir über die Gedankenwelt hinausgehen können. Also, hier der erste Teil:

Gedanken sind Dinge

Das steckt im Wort noch ein bisschen drin: Ding - denken - Gedanke. Und auf englisch: thing - think - thought. Und auf Latein heisst "res" Ding, aber auch "du denkst". Gedanken sind so etwas wie "verdinglichtes" Bewusstsein. Das hilft uns, denn unser Verstand kann reines Bewusstsein  nicht handhaben. Mit Gedanken aber können wir umgehen wie mit Waren. Wir schauen einen Gedanken vor unserem geistigen Auge an und sagen: "diesen Gedanken mag ich", oder "diesen Gedanken behalte ich lieber für mich". Oder ich kann 2 Gedanken kombinieren und einen dritten schlussfolgern. Ich kann mit Gedanken spielen. Ich kann an einem schönen Gedanken festhalten, oder wenn ich einen nicht gut finde, ihn verwerfen, ihn fallenlassen. Oder ihn irgendwann wieder aufgreifen. Wenn ich einen Gedanken wichtig finde, kann ich ihn in das Lagerhaus namens "Gedächtnis" einlagern. Oder wenn ich ihn interessant finde, kann ich ihn mit anderen Menschen austauschen (Gedankenaustausch).

Die Eigenschaft eines Dinges ist natürlich, dass es von anderen Dingen (und von uns selbst!) getrennt ist. Das selbe trifft auf Gedanken zu. Der Prozess des Denkens ist fast so, als würden wir etwas von unserer formlosen Bewusstseinsenergie abspalten, und in unseren Händen daraus ein Ding formen - wir formulieren den Gedanken! Denken ist ein Vorgang der Trennung. Erst dadurch, dass der Gedanke von meinem "Ich" abgespalten ist, kann mein Verstand ihn sehen.

Denken erschafft in uns eine
illusorische Trennung zwischen
"Denker" und "Gedanke"
Warum ist das so? Weil der Verstand Dinge nur aus der Distanz wahrnehmen kann. Es ist wie in unserer materiellen Welt: wenn ich einen Baum betrachten will, kann ich mich nicht mit der Nase an den Stamm stellen. Ich muss etwas zurücktreten, um ihn erkennen zu können. Das selbe Prinzip spiegelt sich hier. D.h., obwohl sich das alles innerhalb meines Bewusstseins abspielt, erzeugt Denken eine illusorische Trennung in mir. Um diese Tatsache zu veranschaulichen ist rechts eine bekannte Abbildung des Physikers und Philosophen John Wheeler, die das sehr gut darstellt.

Der Grundsatz lautet:  

Was auch immer wir mit dem Verstand betrachten, ist getrennt von uns.

Denken erzeugt in uns eine Spaltung in Denker ("Ich") und Gedanke, und erschafft dadurch Trennung und Distanz in mir. Da ist eine Distanz zwischen mir und dem Gedanken. Daraus folgt die fundamentale Erkenntnis, dass Denken im psychologischen Sinne Raum und Zeit erschafft.

Gedanken sind Zeit

Reines Bewusstsein befindet sich in einem zeitlosen, allumfassenden Zustand, den wir Jetzt nennen. Ein wichtiger Grundsatz ist der, dass nur dieses Jetzt real ist - es ist eine Gegenwart die sich immer wandelt. Vergangenheit und Zukunft aber sind nur Hilfskonstrukte unseres Verstandes, und durch Denken bewegen wir uns ständig auf dieser selbst erschaffenen Zeitachse. Sobald wir denken, bewegen wir uns auf der Ebene von Dingen, und folglich natürlich von Entfernungen, Bewegung und somit Zeit - ausserhalb der Ganzheit des Jetzt. Gedanken sind sozusagen die herumschwirrenden Dinge im Kosmos unseres Bewusstseins. Die Tatsache, dass wir uns mit diesen Dingen identifizieren, anstatt der "Raum" selbst zu sein, der stets in Ruhe ist (unser Bewusstsein, Seele), hat weitreichende Folgen.

Thought creates distance as well as time.
(Denken erzeugt Distanz sowie Zeit.)
- J. Krishnamurti

Denken erschafft unser menschliches Zeitempfinden, das die meisten Tiere nicht haben. Sie haben keine Depressionen, machen sich keine Sorgen wegen dem was vor 2 Wochen war, und haben keine Angst vor dem was in 2 Wochen sein wird. Wir schon!

Aber das Problem beginnt schon auf viel subtilerer Ebene: versuche z.B. einmal, im Raum herumzusehen, ohne die einzelnen Gegenstände zu benennen. Und beobachte, wie durch das Benennen sofort sämtliches abgespeicherte Wissen darüber ins Bewusstsein gerufen wird, samt allerlei Beurteilungen, Meinungen, Vorstellungen, Erinnerungen aus der Vergangenheit und Ideen für die Zukunft. Wir sind so angefüllt mit Gedanken, dass wir nie die unverfälschte Wahrheit sehen, sondern unsere eigene verzerrte Interpretation davon - und diese beruht immer auf vergangenem Wissen! Dadurch sind wir nie im Jetzt.

Thought is always old, never fresh
(Gedanken sind immer die Fortsetzung von schon bestehendem Wissen!)
- J. Krishnamurti

Oder z.B.: ich höre jemandem zu, mache mir meine Vorstellung von dem was er meint, und vergleiche es sofort mit dem Wissen das ich schon habe, bewerte es als gut oder schlecht, stimme zu oder lehne ab. Wir nehmen das Jetzt nie vollkommen wahr. Oder: ich bemerke eine Emotion in mir (Angst, Wut), und sofort meldet sich ein abgespeichertes Ideal (Ich soll nicht Angst haben / wütend sein), und schon ist da ein Vergleich, und Spaltung in mir (hier das was ist, dort das Ideal), und dadurch Konflikt, Widerstand, Kontrolle (Abstoßung, Trennung, Distanz), und somit schon wieder Raum und Zeit.

Es ist deshalb wichtig, folgendes über die Funktionen des Verstandes zu verstehen:
Messen, vergleichen, bewerten, kontrollieren, trennen (Distanz herstellen) sind alles Funktionen des Verstandes die Raum und Zeit erschaffen und ganzheitliches Bewusstsein verhindern.
Solange wir mit dem Verstand schauen, befinden wir uns immer ein bisschen auf der Zeitleiste verschoben, anstatt in der Zeitlosigkeit des Jetzt. Wir sind ein bisschen verrückt, und je mehr wir uns im Verstand verstricken, desto verrückter sind wir. Anders kennen wir es aber inzwischen nicht mehr. Könnten wir es wieder schaffen, anders zu leben?

Is there a timeless state, which we call the now?
Is there a way of living without the future and without the past?
- J. Krishnamurti

Gedanken sind nie die Wahrheit

Ein Name ist nicht die Person, ein Wort ist nicht der Gegenstand, eine Beschreibung ist nicht das Beschriebene - und ein Gedanke ist nicht die Wahrheit! Er ist bestenfalls eine extrem vereinfachte Abbildung (oder Einbildung?) der Wahrheit... wie ein schlechtes Foto. "Wahrheit" ist hier nicht umgangssprachlich zu verstehen im Sinne von, eine Information ist "richtig" oder "falsch", sondern es ist das wessen wir uns gewahr sind, mit unserem Bewusstsein. Wahrheit ist das was IST, bevor der Verstand es korrumpiert, der Stoff des Seins, unberührt von Gedanken. Beides schliesst sich sogar aus! Gedanken sind nur Hinweisschilder, die auf das hindeuten was die Gedanken meinen.

Ein Gedanke ist deshalb wie ein Schatten. Manchmal gibt ein Schatten die Form des Gegenstandes ganz gut wieder. Manchmal überhaupt nicht. Aber nie IST der Schatten der Gegenstand. So ist es auch mit Gedanken, egal wie "richtig" oder "falsch" sie sein mögen, sie sind nie die Wahrheit selbst. Aber wir verwechseln das gerne und geben uns schnell mit "richtiger" Information zufrieden, ohne je Kontakt mit der gemeinten Wahrheit gehabt zu haben. Wenn wir sagen, wir haben etwas verstanden, meinen wir nur, wir haben es grammatikalisch verstanden, und haben es im Gedächtnis abgelegt. Grau ist alle Theorie, und Gedanken sind nur Konstrukte ohne eigene Substanz.

Gedanken sind nur
Schatten des wahren Seins

Die Wahrheit ist immer komplexer
als die Einbildungen, die sich unser
Verstand davon macht




Und noch schlimmer: die meisten unserer Gedanken sind nicht einmal eine Formulierung von Wahrheit, sondern beruhen wieder auf älteren Gedanken. Es ist also eine lebenslange Kette von Schlussfolgerungen, ein riesiges Gedankengebäude, in dem Gedanken auf Gedanken aufgebaut sind. So passiert es, dass wir uns im Lauf der Zeit in tiefe Sackgassen manövrieren.

Thought can never be truthful
- J. Krishnamurti

Das alles ist so wichtig, weil wir nur durch den direkten Kontakt mit Wahrheit echtes Verständnis und Bewusstseinswandlung erreichen können. Man kann sogar den Grundsatz aufstellen, Einheit ist Wahrheit! Und weil Denken ein Vorgang der Trennung ist, kommen wir Menschen mit Wahrheit kaum mehr in Berührung! Wahrheit, das ist jedes Bewusstsein um uns und in uns, aber nicht unsere Gedanken darüber.

Das was wir mit dem Verstand anschauen, sind wir nicht. Das ist das Dilemma.
Denn nur durch direkten Kontakt nehmen wir Wahrheit wahr. Das geht nur über Bewusstsein.

Als vernünftiger Mensch sagen wir natürlich trotzdem: "Aber das meiste unseres Wissens ist doch richtig!" Und das ist das Problem. Wir begnügen uns damit, dass Wissen "richtig" ist, leben ein Leben in Konflikt, Sorge, Angst, Verwirrung, Zweifel, Einsamkeit, Unzufriedenheit, ständigem Streben etc. (das soll nicht dramatisch klingen, aber das sind die Eigenschaften eines Verstandeswesens), und sterben dann, ohne je Kontakt zu etwas Wahrhaftigem gehabt zu haben. Aber Hauptsache wir tragen einen riesen Rucksack an "richtigem Wissen" herum bis ins Grab. Und weil wir auch unser Selbstbild (Ego) aus Gedanken aufbauen, sind wir selbst nur Schatten von uns selbst.

Einheit ist Wahrheit, Ganzheit ist Wahrheit
Trennung ist Konflikt

Wahrheit liegt in der Ganzheit. Gedanken sind Dinge, die nur durch Abspaltung in mir existieren. Vor allem bei selbstreflektierenden Aussagen sollte uns das komisch vorkommen: nehmen wir z.B. eine beliebte Aussage wie: "Ich bin ein Versager." Der Gedanke existiert nur, weil er nicht ich ist. Und wäre er ich, würde er nicht existieren. Macht es Sinn den Gedanken wahr zu nennen?

Gedanken können immer nur haben, aber nicht sein

Solange wir Verstandeswesen sind, ist alles in der Welt für uns fremd und getrennt. Sogar die Dinge, die eigentlich wir selbst sind! Wir haben Gedanken. Wir haben einen Verstand. Wir haben ein Gehirn. Wir haben Wissen. Wir haben Ideen. Wir haben Erfahrungen. Wir haben Erinnerungen. Wir haben Emotionen, Gefühle. Wir haben Angst. Wir haben Sorgen. Wir haben Sehnsüchte, Hoffnungen. Wir haben einen Körper. Wir haben Schmerzen. Wir haben Bewusstsein, und manche sagen: wir haben eine Seele.

Aber was zum Kuckuck SIND wir, wenn wir alle diese Dinge nur "haben"? Was ist unser Ich?

Die ernüchternde Tatsache ist: wir sind selbst nur ein Bündel an Gedanken mit denen wir uns identifizieren, namens Ego. Auf anderer Ebene mag es natürlich sein, dass wir Seele sind. Doch wir müssen das erst für uns verwirklichen, indem wir die Verstandesebene meistern. Es reicht nicht, es einfach nur zu wissen oder zu behaupten. Bis dahin ist "Ich bin eine Seele" nur ein weiterer Gedanke unter Millionen anderen, auch wenn er richtig sein mag, und wir ihn Teil unseres Egos machen. Wir sind es heutzutage gewohnt, uns mit Gedanken zufrieden zu geben.

Ego ist hier nicht gemeint so wie "heute war ich egoistisch", sondern in dem Sinne, dass JEDER Mensch Ego ist (zumindest solange wir nicht "erleuchtet" sind). Es ist unser gedankliches Zentrum im Kopf mit dem wir alles anschauen und analysieren.

Was wir mit dem Verstand anschauen, ist getrennt von uns

Das Ego, das aus Gedanken besteht, ist nur soetwas wie ein Standpunkt und eine Perspektive, und alles was wir anschauen (auch im psychologischen Sinne), ist ausserhalb von uns. Aber wir SIND nicht! Wir wissen ja: ein Punkt hat selbst keine Ausdehnung, keine Substanz. Es ist nur eine Ortsangabe. Und von diesem Standpunkt aus, der aus unseren Meinungen und Überzeugungen besteht, betrachten wir die Welt. Daher ist Bewusstseinserweiterung gar kein schlechter Begriff, denn wir wollen diesen Standpunkt ausdehnen zu wahrem Sein mit Substanz.

Das ist nur möglich, indem wir direkten Kontakt mit den Dingen herstellen (Einheit), die wir bisher nur "haben". Und das geht nur durch Wahrnehmung, die nicht über den Verstand läuft, denn der Verstand ist eine Trennungs-Maschine. Aber das will meist nicht gelingen. Seit Äonen versuchen Menschen wieder ganz zu werden anhand von Techniken, die unter dem Begriff Meditation zusammengefasst sind. Und es ist offenbar sehr knifflig, denn nicht viele Menschen haben es geschafft.

Thought divides the whole of life into fragments.
Denken spaltet die Ganzheit des Lebens in Fragmente.
- J. Krishnamurti 

Jemand könnte meinen, dass das nur eine sprachliche Spielerei ist, und dass ich, z.B. wenn ich Angst habe, doch eh diese Angst BIN. Denn die Angst sei ja schliesslich nicht ausserhalb von mir. Ja, natürlich ist Angst innerhalb von mir - es ist ein Fragment davon. Und unser Ego-Ich, von dem aus ich schaue, ist ein weiteres Fragment davon. Aber beide sind zwangsläufig getrennt, solange ich mit dem Ego-Ich schaue, welches selbst nur Teil vom Ganzen ist. Krishnamurti sprach deshalb davon, dass wir fragmentierte Wesen sind, und somit keine wahren In-dividuen (="ungeteilt"). Wir sind eben NICHT eins mit der Angst. Und das ist offensichtlich, denn wäre das der Fall, würde sie sich wandeln können und ihre wahre Natur offenbaren. Angst selbst ist ein Produkt von Trennung und Widerstand.

Heilig sein heisst heil und ganz sein
von Proto-Germanisch "hailaz" (“gesund, ganz”)

Sorgen, Emotionen, Ängste, machen uns Probleme, weil wir sie nicht als zu uns gehörig erkennen können, sondern immer nur mit dem Verstand (aus der Distanz) betrachten. Und solange da Trennung ist, ist es wie der Lärm beim Nachbarn, den man zwar wahrnimmt, gegen den man aber nichts tun kann. Schaffen wir es in unsere Ganzheit zu kommen? Ein wahrer Meister kann mit all diesen Emotions-Energien spielen.

Es ist also ein Problem. Es ist wie wenn man versucht, mit dem Finger einen Splitter Eischale aus dem Eiweiss zu pulen. Aber das Ding glitscht in der Schüssel hin und her, weil immer eine Schicht Eiweiss dazwischen ist. Mindestens so aussichtslos ist es, wenn wir mit dem Verstand die Wahrheit wahrnehmen wollen. Egal wie wir uns drehen und wenden, zu allem was wir betrachten ist Trennung. Wenn wir uns selbst anschauen, sind wir uns selbst fremd, und wir stochern nach der Wahrheit wie nach dem Splitter Eischale. Und alles was uns bleibt ist lebloses Wissen, Einschätzungen, Bewertungen, Urteile, Meinungen, Faktenmüll etc.

Das ist der "Fluch" unseres Verstandes, der zwar gut darin ist zu bewerten, der dabei aber selbst immer ausserhalb bleibt - das ist die "Vertreibung aus dem Paradies" durch das Essen vom Baum der Erkenntnis von Gut und Böse. Hier ist ein Video in dem Eckhart Tolle auf seine unterhaltsame Weise darüber spricht wie das Erwachen des Denkens im Menschen abgelaufen sein könnte: (Q).

Verzweifelte Befreiungsversuche seit "Menschengedenken"...

Menschen haben erkannt, dass wir in einer Realität der Gedanken, der Worte (aussen: Sprache, innen: wieder Gedanken), und der Dinge (aussen: Gegenstände, innen: wieder Gedanken) leben. Dadurch entstand das Mönchtum aus "nichts denken" (Meditation), "nichts sprechen" (Schweigegelübde), und "nichts besitzen" (Armutsgelübde).

Das ist irgendwie nachvollziehbar, ging aber ordentlich nach hinten los. Denn durch Zwänge erreicht niemand Erleuchtung. Im Gegenteil, alles was dabei herauskam war eine Ablehnung gegen sich selbst, die menschliche Natur und die materielle Welt. Selbstbestrafung, Geisselung, Selbstverleugnung, Unterdrückung, innerer Konflikt, Frust, Perversion... der Kontrolleur und Verurteiler in uns wurde nur noch stärker! Und es ist natürlich ein Fehler zu glauben, nur weil ich arm bin, würde mich das weiterbringen, denn solange ich innen der selbe bin, habe ich rein gar nichts erreicht.

Wie diese "Subjekt-Objekt-Spaltung"aufösen?

Das alles, dieses grundlegendste menschliche Problem, ist auch in der Philosophie bekannt, man nannte es dort "Subjekt-Objekt-Spaltung" (Q). Das Problem gilt, wie man da lesen kann, als "zumindest für den Verstand untilgbar". Es ist gut zu sehen dass diese Angelegenheit geisteswissenschaftlich behandelt wurde/wird - natürlich nur theoretisch. Aber eine Kleinigkeit wird in dem Artikel verschwiegen: es gibt Menschen die diese Subjekt-Objekt-Spaltung überwunden haben - wir nennen sie erleuchtete Menschen. Und manche von ihnen widmen ihr ganzes Leben uns weiterzuhelfen, so wie Eckhart Tolle, Jiddu Krishnamurti und andere die ich oft zitiere. Aber dadurch, dass sie die Sache nicht theoretisch an der Universität behandeln, sondern tatsächlich auf der Ebene der Wahrheit transformiert haben, fallen Sie nicht in die Schublade "Wissenschaft", sondern in die Schublade "Spiritualität", und werden deshalb nicht so recht ernstgenommen. Verrückt oder?!

Eckhart Tolle schildert - z.B. in diesem Video (Q) - dass er seine "Erleuchtung" in einer Zeit großer Depression erlebte, als er verzweifelt bei sich dachte: "ich kann mit mir selbst nicht mehr leben." In dem Moment wurde etwas in ihm ausgelöst. Die Illusion dieser Trennung (ich und selbst) wurde für ihn auf einmal so greifbar und klar, dass sie sich transformierte. Sein Bewusstsein wurde wieder zu einer Einheit!

Bei Jiddu Krishnamurte gibt es viele Zitate, die genau diesen Vorgang beschreiben, den auch Eckhart erlebt hat. Eigentlich sprach er sein Leben lang über nichts anderes:
When you see that the observer and the observed is one... when you look without the observer...  - that is truth!
(Wenn du erkennst, dass der Beobachter und das Beobachtete eins sind...
wenn du beobachtest ohne den Beobachter.. - das ist Wahrheit!)   - J. Krishnamurti
Erleuchtung ist die Erkenntnis, dass der Beobachter das Beobachtete ist. Das wird in den folgenden Teilen der Artikelreihe (hoffentlich) noch deutlicher. Und das ist auch was im verlinkten Artikel zur "Objekt-Subjekt-Trennung" Philosoph N. Hartmann (geschwollen) ausdrückt, nämlich: "daß sich weder das Subjekt im Erkennen erschöpft, noch das Objekt im Erkanntwerden, sondern daß sie beide Glieder eines Seinszusammenhangs sind." Philosoph M. Heidegger stimmt zu: „Der Grundsinn der Beziehung zwischen Subjekt und Objekt ist Spaltung. Das hat nur Sinn, wenn als Grundwirklichkeit das Ungespaltene angesetzt ist.“ Das ist also die Philosophen-Version von: Alles ist eins.

Wir können Wahrheit nur dann wahrnehmen, wenn wir selbst heil und ganz sind. Wenn wir fragmentiert sind, können wir auch nur Fragmente, "Scherben" sehen. Wenn wir selbst aus getrennten Dingen bestehen (Gedanken), dann sehen wir auch nur getrennte Dinge. Der Autor Robert A. Heinlein erfand in seinem science fiction Bestseller "Stranger in a Strange Land" einen eigenen Begriff für diese ganzheitliche Wahrnehmung die wir verlernt haben: "to grok". "To grok means to understand so thoroughly that the observer becomes a part of the observed" (Q)

Wissenschaft wird in dem Bild rechts zwar auch erwähnt, aber das ist etwas schmeichelhaft, denn die tut ja nicht mehr als überall ihr Lineal ranzuhalten, um unser Leben sicherer und komfortabler zu machen. Das ist sehr wichtig, aber trotzdem treten wir irgendwie auf der Stelle, weil unser Bewusstsein das selbe bleibt, und jede wissenschaftliche Neuerung zum Guten wie zum Schlechten verwendet werden kann. Der einzig wahre Fortschritt ist der in unserem Bewusstsein.

Sabine Wolf sagt folgendes über das Auflösen dieser verflixten Spaltung in uns:
Es ist das was das spirituelle Ego vieler Menschen seit Jahrzehnten versucht. Es ist schwer, sonst hätten sie es längst geschafft. Tatsächlich kann das Ego es nicht überwinden. Denn du hast es hier mit dem Durchbrechen einer unsichtbaren Mauer zu tun, die viele Jahrtausende lang einen einzigartigen Schatz gehütet hat: deinen eigenen göttlichen Willen.
Um aber das Erfreuliche anzufügen: sie erwähnt auch, dass die Zeit jetzt reif ist, dass mehr und mehr Menschen diese Trennung auflösen! Momentan sieht es aber noch anders aus. Deshalb gehe ich im letzten Teil des Artikels  noch einmal darauf ein, wie verrückt uns das exzessive Denken gemacht hat, bevor es im zweiten Teil der Reihe weitergeht!

Unsere ganz normale Verrücktheit

Wir sind so weit in die Materie abgetaucht, dass sogar unser Bewusstsein nur noch aus Dingen in Raum und Zeit besteht, den Gedanken. Die Materie ist mechanisch, und auch Denken ist mechanisch.

Wir haben zehntausende Gedanken jeden Tag

98% unserer Gedanken sind unsinnig, redundant, oder gar zerstörerisch (Q) (Q) (Q)

Unsere meisten Gedanken sind Müll. Sie wiederholen sich wie eine alte Schallplatte. Und wir können nicht mit dem Denken aufhören! Eckhart Tolle nennt es dir größte Sucht der Menschheit. Ich wiederhole diese Zitate aus dem vorigen Artikel:
Die Unfähigkeit, das Denken anzuhalten, ist  eine schlimme Krankheit, aber wir sehen das nicht so, wir halten es für normal, weil fast jeder darunter leidet. Der unaufhörliche  geistige Lärm hindert dich daran, den Raum innerer Stille zu finden, der vom Sein  untrennbar ist. Er erschafft außerdem ein falsches Verstandgeborenes Selbst, das einen Schatten von Angst und Leiden wirft.
 Eckhart Tolle - Jetzt! Die Kraft der Gegenwart
Gedanken haben die Wirkung, Bewusstsein zu unterdrücken. Jetzt können wir uns ausmalen was passiert wenn wir rund um die Uhr denken!

Und Osho:
Es tut mir Leid, aber es muss gesagt werden: die komplette Menschheit ist verrückt. Was ihr normale Menschen nennt, ist ganz und gar nicht normal. Sie sind normal verrückt, ja. Ihre Verrücktheit ist bei jedem gleich, somit sind sie "normal". Aber sie sind nicht die natürliche Norm, nicht der Standard von Gesundheit. Die Welt ist ein großes Irrenhaus.
Osho - The Dhammapada: The Way of the Buddha, Vol 1 
Und Osho weiter:
Für fünfzehn Minuten, setze dich ruhig hin, und schreibe jeden Gedanken auf der dir in den Sinn kommt. Korrigiere nichts, beschönige nichts. Dann lese es, und du wirst erstaunt sein: bist du verrückt? Was geht da vor in deinem Kopf? Da sind so viele irrelevante Dinge, und eins führt zum anderen ohne jeden Zusammenhang.

Ein Hund bellt in der Nachbarschaft, und dein Verstand schaltet sich ein. Du erinnerst dich an einen Hund den du in der Kindheit hattest, und die Gedanken springen zu einem Freund aus der selben Zeit, und von da zu deiner Schule, und dann zu deinem Lehrer usw. Und so springt der Verstand weiter, und landet wer weiss wo.

Das zeigt die Wahrheit in der Aussage Buddhas: "Sie zittern, sie wanken, sie wandern wie sie wollen." Die Gedanken hören nicht auf dich, sie haben ihren eigenen Kopf. Jeder Gedanke will er selbst bleiben, und will nicht dass du dich einmischst. Diese Millionen von Gedanken zerstören deine Individualität ["Ungeteiltheit"], weil sie ihre eigene Individualität fordern.
Und der Quantenphysiker und Philosoph David Bohm, ein großer Bewunderer Krishnamurtis und sein Schüler, der tiefgehende Diskussionen mit ihm über unsere Realität und die "dahinter" liegende Wahrheit führte, sagt das selbe:
Gedanken beherrschen dich. Gedanken geben aber vor dass du sie beherrschst, dass du die Kontrolle hast. Aber eigentlich ist es umgekehrt, sie beherrschen uns.
Wir leben in einer Zeit, in der unser Verstand stark überlastet ist, meint Bohm, und das würde sogar tatsächlichen Schaden an den Gehirnzellen verursachen:
So wie ein elektronischer Verstärker verzerrt, wenn er überladen wird. Und wenn die Gedanken, die ja selbst die Ursache sind, korrigierend eingreifen wollen, dann wird die Verzerrung [Verwirrung] nur stärker. - David Bohm
Herkules' Kampf gegen die Hydra -
seine eigene menschliche Verwirrung
Das Problem wurde in der griechischen Mythologie so dargestellt: die "Zwischenstufe" der Halbgötter eignet sich gut dafür, den Fall des paradiesischen Menschen darzustellen. Die Göttin Hera belegte Herkules mit Verrücktheit, und er muss sich jetzt auf der Erde wandelnd rehabilitieren, um wieder in den Olymp aufgenommen zu werden. C.G. Jung schrieb darüber: "Was folgt ist der Kampf mit der Hydra und seine anderen Taten. Sie alle symbolisieren den Kampf mit dem Unbewussten." (Q) Es ist eigentlich ein innerer Kampf, in dem all die gedanklichen Aspekte "ihre eigene Individualität fordern", wie Osho sagt. Die vielköpfige Hydra ist ein Symbol für unsere eigene Fragmentiertheit und die "ganz normale" Verrücktheit von uns allen. Es ist jener Kampf den Herkules nicht bestehen konnte: für jeden Kopf den er abschlug wuchsen 2 nach! Er brauchte Hilfe von aussen, und die Aufgabe wurde als nicht erfüllt gewertet. Der Verstand kann sich nicht aus sich selbst befreien.

Bohm geht noch weiter: 
Es kam mir die Erkenntnis, dass Tradition eine Form von Wunden im Gehirn sind. Darin steckt die selbe Wortwurzel wie in engl. "traduce" (verleumden). Wir betrügen das Jetzt, indem wir uns an die Vergangenheit klammern. Jede Tradition, egal ob gut oder schlecht, bringt Menschen dazu eine bestimmte Struktur der Realität für immer zu akzeptieren. - David Bohm
Und unsere Realität ist genau das Thema des nächsten Teils, denn die ist lediglich ein Produkt unserer Gedanken!