Montag, 6. Juni 2016

Der Weltenbaum Teil 4: der Weltenbaum aus Wasser

Der Weltenbaum aus Wasser - mehr Beispiele

Bei Osiris hatten wir den "Weltenbaum aus Wasser" in Form des Nildeltas. Die selbe Symbolik findet man in abgeänderter Form beim sumerischen Gott Enki: in der Abbildung unten lässt er das Wasser aus 2 Gefässen fliessen, das sich in je 2 Ströme teilt, die dann wieder in Gefäße fliessen und wieder als je 2 Strömen überfliessen... das wären schon einmal 4 Hierarchieebenen!

Symbol des sumerischen
Gottes Enki
Enki - Weltenbaum

Schöpfungshierarchie
Analogie für die
Schöpfungshierarchie:
überlaufende Gläser

Es ist eine sehr simple Darstellung, weil sich jeder Ast nur in 2 weitere teilt, in der Mathematik würde man es einen "binären Baum" nennen. Links ist das nochmal übersichtlicher mit Weingläsern dargestellt. Das ist wieder der auf dem Kopf stehende Weltenbaum! 

Die Bedeutung ist klar: Bewusstsein hat die Angewohnheit, sich in immer tiefere Ebenen zu "ergiessen", denn es ist kein streng geschlossenes System, sondern es träumt sich immer weiter. Auch wir sind meist nicht in der Realität sondern in Gedankenwelten versunken, die weniger real sind als die Realität.

Die Wasseranalogie spielt eine bedeutende Rolle in verschiedensten Religionen:

Beim Weltenbaum der Kabballah spielt der Mythos vom "Brechen der Gefäße" (Shevirat ha-Kelim) eine herausragende Rolle: er beschreibt die Abfolge von spirituellen Welten, die entstanden, als die "göttlichen Gefäße das Licht nicht halten konnten". Dabei entstanden 10 Schöpfungsstufen (Q). Das allererste Gefäß entspricht dabei der allerersten Begrenzung der Unendlichkeit. Das uranfängliche Sein ("Adam Kadmon") ist somit "göttliches Licht, noch ohne Gefäß" (Q).

Im Bild unten ist der Weltenbaum Sephirot zu sehen, dargestellt durch zerbrochene Krüge. Es ist eine Symbolik die sich im Christentum fortführt, wo Menschen mit zerbrochenen Krügen verglichen werden, die sich erhoffen vom göttlichen Geist gefüllt zu werden (Q,Q).
Weltenbaum Sephirot
der hebräische Weltenbaum "Sephirot", stilisiert
als zerbrochene Gefäße (Kunstwerk von Anselm Kiefer)

Hindu-Gottheit mit
Amrita-Gefäß
Genau wie bei der Kaballah ist iHinduismus die Rede von einem allerersten göttlichen Krug (sanskrit: Kumbha), was in beiden Fällen als ein "göttlicher Mutterschoss" interpretiert wird. Hier liest man dazu, dass in den Mythen sich mehrere Referenzen darauf finden, dass die Menschen vom Krug  geboren sind. Im Hinduismus werden Gottheiten regelmäßig mit dem Gefäß des göttlichen Nektars Amrita dargestellt, der aber nichts anderes ist als das Sein selbst, das sich in tiefere Ebenen ergiesst. Im Buddhismus entspricht das dem rituellen Krug "Bumpa", der "das Gefäß und die Ausdehnung des Universums repräsentiert" (Q).

Das Schöpfungsmodell aus Wasser ist wohl nirgends so anschaulich dargestellt wie durch Griechische Brunnen, wie man unten sieht. Dazu braucht man nur die Figuren zu interpretieren: im Bild link ist oben Hebe, Tochter von Zeus, deren Aufgabe es war, aus ihrem Krug den göttlichen Nektar Ambrosia auszuschenken, das über mehrere Ebenen rinnt. 

Auf der Idee vom "Nektar der Unsterblichkeit" beruht auch der sagenumwobene Jungbrunnen. Unsterblichkeit ist aber eine Frage der Bewusstseinsebene, und die Menschen wollen durch "Trinken" von Bewusstsein gerne nach oben krabbeln (siehe Bild rechts). Auch hier ist die Symbolik des "umgedrehten Weltenbaumes" versteckt.
Göttin Hebe ergiesst den
göttlichen Nektar Ambrosia
Engel auf
"Schöpfungsmodell"
der Jungbrunnen

Die Urquelle an der Wurzel des Weltenbaumes

In vielen Varianten des Weltenbaumes entspringt an den Wurzeln eine Quelle, so auch beim nordischen Yggdrasil: täglich wird er von den "3 Nornen" (Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft) aus dieser Quelle gegossen und zum wachsen gebracht. Es ist aber vielmehr der Weltenbaum selbst, der sich als Bewusstsein aus der göttlichen Quelle ergiesst (Q Q).
die 3 Nornen (er)giessen den Weltenbaum

4 Flüsse im Garten Eden

Auch in der Bibel werden die Paradies-Bäume mit der Flussanalogie verbunden. Offenbar ist die Symbolik der Verästelung so wichtig dass sie noch einmal auf andere Weise wiederholt wird: "In Eden entsprang auch ein Strom, der den Garten bewässerte und sich dann in vier Arme teilte." Dass aber auch hier "vertikale" Schöpfungsebenen symbolisiert sind, verdeutlicht ein gewisser Rabbi Judah, der anmerkt dass alle weltlichen Flüsse unter diesen Seitenarmen liegen, und dass diese wiederum unter dem Hauptfluss liegen (Q)!

Das göttliche Sein ergiesst sich: Göttin Ganga

Im Hinduismus bilden Shiva und seine Partnerin Ganga (Tocher von Brahma) ein Pärchen, das gemeinsam den Weltenbaum aus Wasser darstellt: Ganga geht aus Gott Brahma (Expansion) hervor und ergiesst sich aus dem Himmel. Da aber ihre Kraft viel zu mächtig ist für die niederen Welten, hilft Shiva und bremst ihren Fall, und das Wasser zerstreut sich in seinen unzähligen Locken und wird als kleinere Flüsse weitergeleitet. Nach heutigen Konzepten würde man sagen, dass sich Bewusstseinsenergie von Ebene zu Ebene abschwächt, oder sich ihre "Frequenz verringert" und verdichtet. Shiva, der mit dem Prinzip der Kontraktion assoziiert wird, stellt hier den "bremsenden" und zersplitternden Effekt bis zur dichten Materie dar.
Der Abstieg der Göttin Ganga
- auch das ist der umgedrehte Weltenbaum
Anstatt dass Gott hier im Baum sitzt, sitzt er im Wasserfall, der sich in unzählige Rinnsale teilt! Der Abstieg Gangas ("Avatarana") stellt eine "Karte" der vertikalen Dimensionen des hinduistischen Weltbildes dar (Q), sie wird deshalb Tripathagā genannt, "der Fluss der alle Welten durchfliesst".

Göttin Ganga
als überfliessendes Gefäß
Dieser Abstieg wird aber noch in einem anderen Mythos erzählt: Indra, der Gott der Veden, erschlägt in seiner größten Tat die dämonische Schlange Vritra und wirft sie aus dem Himmel, wobei die himmlische Flüssigkeit Soma - der Nektar der Götter - freigesetzt wird und zur Erde stürzt (Q). Das bestätigt, dass auch die analogen christlichen Mythen, nämlich die Ausgiessung des heiligen Geistes, als auch das Hinunterstürzen des Luzifer samt gefallener Engel der selbe Schöpfungsmythos sind.

Die Bedeutung der Göttin Ganga im Hinduismus kann man gar nicht überschätzen. Während der Ganges vertikal fliesst, geht es eigentlich wieder um das Absenken "vom Himmel zur Erde": die Hinduisten nehmen in ihrem Baderitual das Wasser mit den Händen hoch und lassen es wieder hinunterrinnen. Der Ganges bildet dabei, so wie z.B. eine Eiche, nur ein materielles Symbol für die gesamte Schöpfung.

Eine ähnliche Symbolik findet man in der christlichen Taufe. Bei der Taufe durch Johannes im Jordan, so heisst es, kam der heilige Geist - das Wasser des Lebens - auf Jesus herab (Q). Hier ein paar Bilder zum Thema, in denen auch Christus die Aufgabe von Ganga übernimmt:

Christus als göttlicher
Ausgiesser des
heiligen Geistes ...
... und auch als inkarnierter Empfänger
(Taufe im Jordan)
die Taufe aus dem Krug, die Ausgiessung auf den Menschen, der herabkommt in diese Welt
der heilige Gral:
"Ace of Cups"
im Tarot
Keine Religion hat ein Monopol auf archetypische Symbole: unten sieht man die Segnung eines mixtekischen Herrschers durch Regengott Dzahui - quasi die mesoamerikanische Version vom heiligen Geist oder von Göttin Ganga.

Codex Vindobonensis, Nutall Codex Seite 5
Regengötter, Sonnengötter, Blitzgötter, Naturgötter begründen nicht wirklich einen Polytheismus, es sind verschiedene Beschreibungen der Schöpfung in Form der Wasser-, Licht-, Blitz- oder Baum-Analogie, wie ich sie ja auch verwende. Selbst betont "monotheistische" Religionen wollen nicht auf diese Umschreibungen verzichten, und müssen sich dann mit Konzepten wie der Trinität aus der Affäre ziehen, um zu betonen dass ja doch alles eins ist. Das wussten aber auch die "polytheistischen" Religionen. Der vermeintliche Unterschied zwischen Poly und Mono ist eine der größten Augenauswischereien, es gibt keinen, weil alle die selbe Wahrheit beschreiben.

In den Mythen heisst es, dass im Weltenbaum der flüssige Baumnektar fliesst - das ist das perfekte Bindeglied zwischen Baum- und Wasseranalaogie:

Der Nektar des Weltenbaumes 

In allen Kulturen gibt es den "göttlichen Nektar". Er symbolisiert für uns Bewusstseinserweiterung: wenn jemand eine tolle Einsicht hat, könnte er sagen, er hat vom göttlichen Nektar getrunken.

In der nordischen Mythologie heisst es, dass in den Zweigen des Weltenbaumes Yggdrasil Met (Honigwein) fliesst, was etymologisch mit dem "Madhu" aus der Rigveda verwandt ist. Bekannter ist aber der Begriff "Soma", was in den mesopotamischen Kulturen das Haoma ist. Es wird als eine "Dreiheit aus Gott, Pflanze und Getränk" beschrieben, was schön zeigt, wie Bewusstsein zuerst zu einer symbolischen Pflanze wird, und dann zu dem von ihr produzierten Nektar, als Symbol der Lebensenergie. Der Ashwatta-Baum ergiesst von oben das Soma, heisst es. Soma wird wie Met gern als Honig dargestellt, als Sinnbild von flüssigem Licht, womit auch der Bogen zur Lichtanalogie (Schablonenanalogie) gespannt wird.

Die Hinduisten haben noch den Begriff "Amrita", was wiederum gleichbedeutend ist mit dem Ambrosia der Griechen (Q). Esche heisst auf griechisch "melía", was sich aber von "melí" für Honig ableitet (Q). Im nächsten Artikel über den Weltenbaum bei den Griechen kommen deshalb die Meliaden vor, die Baumnymphen die Zeus nähren.

Im Christentum (wie auch bei Dionysos) ist es der Wein, der passend zum Weinstock den Göttlichen Geist symbolisiert, vgl. auch die Wörter Weingeist und Spirituosen. So wie das Ambrosia Göttlichkeit verleiht, so auch das "Blut Christi" im heiligen Gral. Vor etwa 2.600 Jahren sagte der altpersische Hohepriester Zarathustra über den Saft des Weltenbaumes: "Für die Seele ist er der Weg zum Himmel." (Q) Bei den Aztekten nennt sich die paradiesische Welt "Tlaloclan", was "Ort des Nektars" heisst, wobei Gott Tlaloc - was sonst - als Baum dargestellt ist - dazu aber später.

Das Trinken des Baum-Nektars ist für uns das gegengesetzte Symbol zur Vertreibung vom Baum. Das sieht man unten einmal in einer ägyptischen und einer buddhistischen Variante. Die Übereinstimmung ist ziemlich verblüffend. Man beachte auch links wieder die kleinen Ba-Vögel (Seelen) die sich auch am Baum bedienen.

ägyptischer Weltenbaum - Baum des Lebens
Sich laben am Nektar des Weltenbaumes
in Ägpten ....
buddhistischer Weltenbaum - Baum des Lebens
..... und im Buddhismus





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"Die Kundalini und der Schatz,
das flüssige Gold Amrita" - Q
In der klassischen Literatur spiegelt sich die paradiesische Ära als Idee von einem goldenen Zeitalter, in dem noch der Honig reichlich von den Bäumen tropfte (Q). Erinnert ein bisschen ans Schlaraffenland. Das Amrita wird auch mit der Kundalini-Energie identifiziert die durch die Nadis fliesst, und wird ikonographisch durch einen Krug symbolisiert. Interessant ist auch die Assoziation mit dem "aurum potabile", dem flüssigen Gold, dem die Alchemisten auf die Spur kommen wollten (Q).

Religionen sind unterschiedliche Beschreibungen der Wahrheit. Wer einer bestimmten Religion anhängt wie einem Fußballklub, der ist offensichtlich nicht an der Wahrheit interessiert, sondern nur an einer bestimmten Beschreibung der Wahrheit, und kommt über die Ebene der Wörter nicht hinaus. Wenn man das Beschriebene versteht, spielt die Art der Beschreibung aber keine Rolle mehr.

Im nächsten Teil: der Weltenbaum bei den Griechen, und ... der Weltenblitz!