Der Weltenbaum Teil 5: bei den Griechen und: der Weltenblitz!

Der Weltenbaum bei den Griechen

Die griechische Schöpfungsgeschichte zeigt die Stufen des Weltenbaumes, und noch einige andere interessante Aspekte. Das geht so:

Aus dem uranfänglichen Chaos entsteht die erste Teilung als Gaia und Uranus. Aus ihnen gehen wiederum 12 Gottheiten hervor, und diese Ebene übernimmt nun die Kontrolle, indem einer von ihnen, Kronos, dem Vater Uranus den Penis abschneidet (huch). Jetzt gehen aus dieser Ebene wieder neue Gottheiten hervor, darunter auch Zeus. Kronos wurde vorhergesagt, dass Zeus ihn entmachten wird, so wie er selbst seinen Vater entmachtete. Kronos würde deshalb am liebsten den "neugebornenen" Zeus, der aus ihm hervorgegangen ist, gleich wieder verschlucken. Zeus wird in einer Höhle vor ihm versteckt und von den Baum-Nymphen mit dem Nektar des Baumes genährt und großgezogen (Q). Das ist symbolisch für das Wachsen und die Form der ganzen kosmischen Struktur. Das Hervorgehen des Zeus und der neuerliche Machtwechsel wird auf besondere Weise dargestellt: Zeus "flüchtet" vor dem Einfluss des Kronos, indem er von einer Nymphe an einem Seil an einem Baum (dem Weltenbaum natürlich) heruntergelassen wird, und so wird er, zwischen Himmel und Erde hängend, für seinen Vater unsichtbar (Q). Als Kronos selbst vom Baum-Honig berauscht daliegt, wird er von Zeus überwältigt (Q).


Es ist auffällig, dass immer die niedrigere Ebene die höhere stürzt - der sogenannte "Kampf der Titanen". Was heisst das, wenn man beachtet dass es Vorgänge zwischen Bewusstseinsstufen sind?

Es ist so wie auch in unserer Seele das menschliche Ego die Kontrolle übernommen hat, wodurch die höhere Bewusstseins-Ebene ausgeblendet wird. Und es ist wiederum so wie wenn wir "schlaftrunken" gegen den Schlaf ankämpfen, und er uns dann doch übermannt, womit ein kleineres Traum-Ich die Kontrolle übernimmt. Dieses Prinzip zieht sich - das ist die essenzielle Aussage des Weltenbaumes - durch sämtliche Stufen der Existenz.

Wie Amaterasu ist Zeus zuerst in der Dunkelheit der Höhle, bevor er in die nächste Bewusstseinsebene heraustritt. Großartig ist das darauf folgende Sich-herablassen am Baum, eine Symbolik die wir schon von Odin kennen. Es wird vermutet, dass die Tarot-Karte des "hängenden Mannes" auf diesem Mythos beruht, ein Symbol das "das Verhältnis zwischen dem Göttlichen und unserem Universum ausdrückt" (Q).

Kronos wird vom Schlaf übermannt, und begibt sich als Ego Zeus auf eine niedrigere Ebene. Der umgekehrte Vorgang ist in heidnisch-esoterischen Märchen wie Dornröschen enthalten, in denen der Mensch (Prinz) jetzt versucht, sein unbewusstes höheres Ich jenseits der Dornenhecke (oder jenseits der Schablone) wieder aufzuwecken - siehe mein Artikel über Märchen. Odin sieht im Bild rechts selbst so aus wie einer der gescheiterten Abenteurer die in der Dornenhecke umkommen, verstrickt in den menschlichen Illusionen.

auch Dionysos
ist der Weinstock

Aber weiter: das "Gerangel" zwischen den Ebenen wiederholt sich jetzt nocheinmal, etwa bei Zeus' Tochter Athene, deren Geburt Zeus (vergeblich) zu verhindern versucht. Aber das Paradebeispiel in Sachen Weltenbaum ist ihr Bruder Dionysos, dessen Name buchstäblich "göttlicher Baum" bedeutet (von dios, "göttlich", und nysos, "Baum"), und auch seine Beinamen bedeuten "der vom Baum kommt, und "der den Weltenbaum zum Treiben bringt" (Q) - unglaublich aber wahr. Er weist ausserdem verblüffende Parallelen mit Jesus auf, was ich auch in diesem Artikel beschrieben habe. Nicht nur ist Dyonisos für seinen Auferstehungsmythos bekannt, er wird auch mit dem Weinstock assoziert.

Aber auch hier geht die Fragmentierung noch einmal eine Ebene weiter, denn Dionysos wird von den Titanen - wie Osiris - in Stücke gerissen! Und aus dem Blut entspringt - dreimal dürft ihr raten - ein Baum! (Q) Vergleicht das Bild links noch einmal mit dem ganz rechten Bild von Jesus hier. Letztendlich landen wir natürlich bei den Menschen die "vom Baum stammen", und die Homer - der diese Zusammenhänge sicher kannte - als so vergänglich wie die Blätter am Baum bezeichnete (Q).

In einer Variante des Mythos rächt Zeus Dionysos, indem er die Mörder mit dem Blitz zur Strecke bringt, und aus der Asche enstehen die Menschen. Stellt euch also vor, wie ein Blitz von der obersten Ebene der Einheit nach unten fährt, und am Ende steht der Mensch. Auch das ist....

Auch der Blitz des Zeus ist der umgedrehte Weltenbaum

Jedes Schulkind lernt, dass die Symbole des Zeus die Eiche und der Blitz sind, aber man übersieht leicht, dass beides das selbe Symbol ist.

In der Natur ist die Form allgegenwärtig, ob als Flussdelta, Baum, Blitz, oder Nervenbahnen und Adern. Was alle religiösen Systeme aller Zeiten vermittelten war, dass auch Bewusstsein sich in dieser Art verhält. Zeus will mit dem Blitz niemandem den Hintern verkohlen, sondern es ist der Schöpfungsakt selbst, in dem das Einheits-Bewusstsein sich zersplitterte, von der obersten Ebene des Olymp bis zum Menschen.

Ich habe schon anklingen lassen, dass auch der Sturz des "Erzengels Luzifer" diesen Bewusstseins-Abstieg und die Fragmentierung in Form des Baumes beschreibt, und das sagt Jesus buchstäblich: "Ich sah wohl den Satanas vom Himmel fallen als einen Blitz" (Q) Jemand könnte meinen, dass der Arme besonders schnell fiel, aber wer Ahnung hat, weiss was wirklich gemeint ist, denn auch diese Symbolik ist rund um den Planeten zu finden. Die Blitzewerfer sind z.B. der nordische Thor, der hinduistische Indra (der kulturhistorisch mit Zeus verwandt ist), der azthekische "Huitzilopochtli", der babylonische "Adad", oder der slavische im Weltenbaum (Eiche) residierende Perun (Q), etc. etc. Zusätzliche Infos zum "Donnerkeil" habe ich ja hier schon gegeben.

der "Weltenblitz"

ein Lichtbaum
(es gibt auch Aufwärts-Blitze)

Huitzilopochtli / Tlaloc

Zeus / Jupiter

Perun

Indra

Auch wenn diese Götter Personifikationen sind, sind sie doch Symbole für die Gesamtheit des Seins. Das beweisen folgende bewahrten antiken Gedichtzeilen über Zeus:

Zeus ist der Anfang, das Mittlere und das Ende aller Dinge. Er ist sowohl männlich als auch weiblich, der Atem und Ursprung von allem, er ist die Tiefe der Erde und die Höhe des Himmels, eine Kraft, ein Gott. ... Da ist nur ein himmlischer Körper, in dem alles umschlossen ist, der große Körper des Zeus. (Q)

Der Blitz im Hinduismus

Der Blitz ist auch im Hinduismus Symbol für den unendlichen göttlichen Geist, wie man in den Upanishaden erfährt (Q). Dort folgt auf den Ashwattha-Baum auch direkt eine Blitzanalogie: "alles was ist, das Weltganze, das dem Prana entsprang, ist wie ein gewaltiger Blitzstrahl" (Q,Q). Sinnbild dafür ist auch der berühmte Ton Om, der "Urklang, aus dessen Vibrationen das gesamte Universum entstand" (vgl. "am Anfang war das Wort"). Er ist im Grunde gleichbedeutend mit dem göttlichen Geistt (Brahman) und wird in den Upanishaden als ein Ton beschrieben, der "zuerst nur als einzelner Zweig emporquillt, sich dann aber entfaltet und zu einem Aste nach dem anderen wird, und im Unendlichen aufgeht", weshalb er "der blitzartige" genannt wird (Q). Genial! Es ist auch vom "tausendfach verzweigten Sein" die Rede.

Dieses Blitz/Baum-Prinzip der Schöpfung wird auf sehr simple Weise in einer Geschichte demonstriert, in der Gott Indra einen Embryo der Gottheit Diti mit seinem Blitz beschiesst, wodurch zuerst 7 Gottheiten hervorgehen, und aus diesen lässt er wieder je 7 hervorgehen - macht nochmal 49 (Q).
Der verwendete Blitz ist selbst Symbol für den Vorgang! Das Bild links würde wie ein "Baum" aussehen wenn man die nächste Ebene auch noch sehen würde, aber 49 sind auch zu viel zu zeichnen.

Auch das flüssige Soma wird mit göttlichem Licht und folglich mit dem Blitz von Indra assoziiert (Q) - die direkte Verbindung zwischen den verchiedenen Analogien! Was auffällt, ist dass der Weltenbaum jetzt schon in Form von verschiedensten "Elementen" beschrieben wurde: dadurch dass im Baum der Nektar in den Ästen fliesst haben wir die Brücke zur Wasseranalogie, dadurch dass es glänzender Honig ist die Brücke zur Lichtanalogie, und dadurch auch zum Blitz.

Egal ob Gott einen Blitz nach unten schiesst, das Nildelta hinunter schippert, oder sich am Baum abseilt, es ist immer das selbe Symbol, das die Art zeigt, wie sich Bewusstsein in der Schöpfung ausgebreitet hat.

Kommen wir jetzt zum Weltenbaum bei Herakles:

Herakles und der Baum der Hesperiden

Herakles fiel bei den Göttern in Ungnade und soll sich durch die berühmten 12 Aufgaben rehabilitieren, die auf verschiedene Weise den menschlichen Kampf um Wiederaufnahme ins "Götterreich" symbolisieren. Herakles möchte die goldenen Äpfel vom Baum aus dem "Garten der Hesperiden" stehlen, denn die sollen Göttlichkeit verleihen.

Es ist nicht so ganz sicher, ob das nicht auch wieder ein menschlicher Irrweg ist, so wie bei Adam und Eva. Ich habe schon einmal etwas über seinen Kampf gegen die Hydra geschrieben, der laut C. G. Jung unsere internen Konflikte symbolisiert (Q). Es ist in diesen Mythen also immer eine Prise von "Don Quixote" mit dabei, der gegen seine eigenen Illusionen kämpft. Herakles ist nunmal ein Halbgott der menschliche Mühsal kennenlernt.

Kann man Göttlichkeit stehlen, sie besitzen? Jemand will eine Blume besitzen, aber sobald man sie hat stirbt sie. Aus psychologischer Sicht ist das ein fundamentales Dilemma, wie es auch J. Krishnamurti beschrieb:

• Man kann Wahrheit nicht besitzen und festhalten, denn Wahrheit ist das Sein selbst und wandelt sich immer.
• Wahrheit kann man nie finden, denn beim Suchen haben wir eine Vorstellung davon was wir suchen, und die ist nur ein Produkt unseres Verstandes, und so bleiben wir immer in den eigenen Gedanken gefangen.

Man kann einen höheren Bewusstseinszustand nie finden.

Herakles und der Baum der Hesperiden

Genau diese Fehler werden aber bis heute in der Religion gemacht: kann man Göttlichkeit als Wörter auswendig lernen aus einem heiligen Buch, oder sie alle 7 Tage in einem Gebäude mit Turm besuchen? Kann man Wahrheit in Machtstrukturen festhalten, sodass dann verschiedene Religionen streiten wer im "Besitz" der Wahrheit ist?

Und bekommt Herkules am Ende die Äpfel? Natürlich nicht! Er lässt sie sich durch eine List beschaffen, aber die Göttin Athene kann darüber nur schmunzeln und bringt sie wieder am Baum an wo sie hingehören. Das Besitzen der Göttlichkeit, indem man sie vom Baum der Göttlichkeit abtrennt, ist von vornherein ein Irrtum.

"Der sternentragende Weltenbaum, hier liebevoll umhegt von den Hesperiden.
Griechische Vasenmalerei, 700–400 v. Chr." - Quelle 

Als Rausschmeisser dieses Teils ein interessanter Vergleich zwischen Griechen und Maya:

Göttliche Inkarnation aus dem Weltenbaum

Wenn man das System verstanden hat, dann müsste so eine "Göttergeburt" aus dem Stamm erfolgen, anstatt dass er wie der normale Mensch oben an den kleinen Zweigen rauskrabbelt.

Genau so ist es auch im Bild links: die "Geburt" des griechischen Gottes Adonis. Rechts davon ist ein Schöpfungsmythos der Maya dargestellt, und es sieht überraschend ähnlich aus. Erläuterungen zu dieser Stele gibt es hier, es scheint aber auch den Forschern nicht ganz klar zu sein. Das Wesen wird aus dem Baum herausgezogen, und von anderen Wesen scheinbar als Mensch fertiggestellt.

Was meint diese Symbolik? Prinzipiell könnte man so die Entstehung eines sehr großen Bewusstseins an sich darstellen, bzw. seine Inkarnation auf der Erde. 

"Die Geburt des Adonis" aus dem Baum

Geburt aus dem Baum bei den Maya
Stele Nr. 5 von Izapa 

Im nächsten Teil geht es um die Weltenachse, Christus, Buddha, und was das mit der Kundalini zu tun hat.